anzeige
anzeige
Kultur

Die letzten Überlebenden

»Selma und Anton« erzählt die Geschichte einer Freundschaft

  Die letzten Überlebenden | »Selma und Anton« erzählt die Geschichte einer Freundschaft

Unzählige Bücher überfluten den Markt. Martina Lisa, Josef Braun und Michelle Schreiber helfen einmal wöchentlich auf »kreuzer online« bei der Auswahl und teilen Gedanken, die in die Lektüre hineingenommen werden können. Diesmal liest Familienredakteur Josef Braun »Selma und Anton« von Nina Kölsch-Bunzen, das über Antisemitismus aufklärt.

Uroma Selma feiert Geburtstag, die kleine Miri ist deshalb ganz aufgeregt. Doch bevor am Nachmittag die große Party losgeht, kommt erstmal Anton zu Besuch. Anton ist der älteste Freund von Selma, beide kennen sich schon seit ihrer Kindheit. Auch Anton hat einen Urenkel. Gemeinsam lauschen die beiden Kinder den Geschichten ihrer Urgroßeltern und blättern sich durch deren Fotoalben. Einige der Spiele, die die Alten früher gespielt haben, kennen sie selber. Manches ist ihnen jedoch unvertraut. Plötzlich sind die Jungs auf den Bildern getrennt von den Mädchen und Selma und Anton stehen nur noch am Rand des Geschehens. Auf der nächsten Seite tragen die Leute einen gelben Stern auf dem das Wort Jude steht. Was soll das, wollen die Urenkel wissen und die Erwachsenen bemühen sich, es ihnen zu erklären.

Cover
Cover: Ariella Verlag

Wie bringt man Kindern schwere Themen wie Antisemitismus so bei, dass sie darüber nachdenken können, ohne davon überfordert zu werden? Die Professorin Nina Kölsch-Bunzen beschäftigt diese Frage schon lange. In ihrer Arbeit engagiert sie sich gegen Rassismus und Antisemitismus, gibt Fortbildungen und entwickelt Konzepte für den Unterricht. Ihre Erfahrung kommt »Selma und Anton« zugute. Sensibel werden hier die komplexen Themen angepackt und so verarbeitet, dass die Kinder genügend Bezüge zu ihrem eigenen Leben herstellen können. Paradoxerweise ist das Buch häufig dort am eindrücklichsten, wo es bewusst Leerstellen setzt. Diese gibt es auch in den Illustrationen von Marion Goedelt. Wenn die Urgroßmutter erzählt, dass Juden in Deutschland nicht mehr als Individuen, sondern nur noch durch ihre Bezeichnung hindurch wahrgenommen wurden, verlieren die Figuren ihre Gesichtszüge, zurück bleiben weiße Leerstellen, Umrisse von Menschen mit Judenstern. An einer Stelle verstummt die Urgroßmutter schließlich völlig, so groß ist der Schmerz der Überlebenden. Kurz darauf hat sie sich jedoch wieder gesammelt, auch dank ihres Freundes Anton, den sie nach dem Krieg wiedergefunden hat. Gemeinsam begehen sie zum Ende des Buches Selmas großen Geburtstag.

Nina Kölsch-Bunzen (Text), Marion Goedelt (Illustration). Selma und Anton. Die Geschichte einer langen Freundschaft. Berlin: Ariella Verlag 2021. 32 S., 16 €, ab 4 J.


Kommentieren


0 Kommentar(e)