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Stadtleben

»Das darf nicht verabschiedet werden«

Aktivistin Almut über die Initiative »Eltern gegen Krieg und Aufrüstung« und die Forderung nach einem Aufrüstungsstopp

  »Das darf nicht verabschiedet werden« | Aktivistin Almut über die Initiative »Eltern gegen Krieg und Aufrüstung« und die Forderung nach einem Aufrüstungsstopp

 

Aus Protest gegen die Hundert-Milliarden-Aufrüstungspläne der Bundesregierung hat sich vergangene Woche in Leipzig die Initative »Eltern gegen Krieg und Aufrüstung« gegründet. Im kreuzer-Interview spricht Aktivistin und Mitbegründerin Almut, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, über Ohnmachtsgefühle und erste Erfolge.

kreuzer: Wie ist Ihre Initiative »Eltern gegen Krieg und Aufrüstung« entstanden?

ALMUT: Wir waren einige Eltern, eigentlich ausschließlich Mütter, die am letzten Wochenende auf dem Bauspielplatz im Leipziger Westen ins Gespräch gekommen sind, nachdem einige von uns auf einer eher ernüchternden Demo gegen die Aufrüstung hier in Leipzig gewesen waren. Aus dieser Situation heraus haben wir zusammen einen Aufruf formuliert, dann wusste die Mitbewohnerin von einer von uns zum Glück jemanden aus Bremen, ein Papa der uns die Website gebastelt hat und zwei Tage später haben wir losgelegt, E-Mails zu verschicken und unseren Aufruf zu verbreiten.

 Was war an der Demonstration ernüchternd?

Es waren viel zu wenige Leute. Deshalb fühlten wir uns sehr ohnmächtig gegenüber dem, was eine taz-Autorin kürzlich »das mentale Strammstehen« im Land genannt hat. Wir wollten aus dieser Ohnmacht herauskommen. Außerdem hatten wir das Gefühl, dass wir nicht aus einer explizit linken Position heraus arbeiten wollten, sondern aus der Position der Leute, die wie wir auch auf die großen Antikriegsdemos gehen. Von Eltern, die sagen, die Aufrüstung können wir auf gar keinen Fall mittragen und das darf nicht verabschiedet werden.

Was möchten Sie mit Ihrer Petition erreichen?

Es stinkt uns eigentlich, dass wir eine Petition verfassen müssen und die Fraktionen der Regierungsparteien, an die sich die Petition richtet, bitten müssen, dieser geplanten Aufrüstung nicht zuzustimmen. Wir sind in einer Situation, in der die Stimme gegen Aufrüstung in der deutschen Medienlandschaft viel zu wenig Gehör findet. Ich nehme es so wahr, dass die allermeisten Leute es für den absoluten Wahnsinn halten, hundert Milliarden in Aufrüstung zu stecken. Wir möchten den Widerspruch dagegen, der von anderen Initiativen auch schon zaghaft kam (Senioren in der SPD, Grüne Jugend), lauter machen.

Die Befürworter der Aufrüstung argumentieren, dass die Bundesregierung nur so handlungsfähig gegenüber Aggressionen von Ländern wie Russland bleiben könne. Was entgegnen Sie darauf?

Diese hundert Milliarden wurden aus dem Hut gezaubert, während eigentlich gerade eine halbe Millionen Menschen in Berlin gegen den Krieg auf der Straße waren. Wir alle wollen den Menschen in der Ukraine helfen. Aber diese Aufrüstung hilft den Menschen jetzt ja überhaupt kein bisschen, weder den Flüchtenden, noch uns, weil das was jetzt beschlossen werden würde, ja erst in zwei, drei Jahren produziert und geliefert würde. Außerdem bedeutet diese Aufrüstung überhaupt keine erhöhte Sicherheit sondern im Gegenteil eine erhöhte Unsicherheit. Die in Deutschland stationierten Atomwaffen zum Beispiel sind ein extremes Risiko für uns alle und sowohl einige Natomächte als auch Russland haben hochgerüstete Streitmächte, die über Atomwaffen verfügen. Jede Eskalation, die wir jetzt gerade sehen, kann uns immer an den Rand einer Vernichtung führen.

Sie fordern, dass die Bundesregierung das Geld für andere Dinge ausgeben soll…

Der Finanzminister hat ja schon angekündigt, dass überall gekürzt wird um diese hundert Milliarden stemmen zu können, ohne neue Schulden aufzunehmen. Da werden dann vor allem die Kinder das Nachsehen haben, nämlich erstens indem wir ihnen eine geschrottete Erde hinterlassen mit einem Klima, das es Menschen in vielen Erdteilen unmöglich macht, überhaupt ein gutes Leben zu führen und zweitens weil wir das Geld jetzt im Bildungssektor bräuchten. Sozialarbeiter schlagen momentan Alarm, dass es zahlreiche Kinder gibt, die in ihrer psychosozialen Entwicklung durch Corona massiv beeinträchtigt sind und anstatt diesen Kindern die nötigen zusätzlichen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, wird das was jetzt schon zu wenig ist, auch noch gekürzt. Der Betreuungschlüssel in Sachsen ist himmelschreiend miserabel, bedürftige Kinder warten ohnehin schon monate-, jahrelang auf Schulbegleitung. Es braucht dringend kleinere Klassen und mehr Zuwendung für alle Schulkinder vor dem Hintergrund der riesigen Bildungslücke, die sich durch Corona verschärft hat.

Welche Rückmeldungen haben Sie bislang erhalten?

Zum einen steigen die Petitionszahlen immer weiter und immer mehr Leute beteiligen sich an der Telegramgruppe, die sich auf die Demo in Leipzig vorbereitet. Und dann ist gerade der Demoaufruf für Sonntag von diesem sehr breiten gesellschaftlichen Bündnis veröffentlicht wurden, der sich ganz klar gegen die hundert Milliarden und auch auf die Anhebung des Wehretats auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts stellt. Das ist ein total positives Zeichen und gibt uns richtig Auftrieb, weil es zeigt, dass Initiativen wie die unsere es an ganz vielen Orten geschafft haben unser Anliegen sichtbarer zu machen. Ich glaube, jetzt kommt es auf jedes Plakat an und auf jeden einzelnen, der auf die Demo geht und der diese Forderung stark macht.

INTERVIEW: JOSEF BRAUN


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