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Stadtleben

»Man lernt einfach, miteinander zu reden«

Leipziger Schülerin gewinnt den Landeswettbewerb »Jugend Debattiert«

  »Man lernt einfach, miteinander zu reden« | Leipziger Schülerin gewinnt den Landeswettbewerb »Jugend Debattiert«

Die Elftklässlerin Hannah Lilly Lehmann hat am 26. April den Landeswettbewerb »Jugend debattiert« gewonnen. Die Siebzehnjährige ist Schülerin am Leibniz-Gymnasium in Leipzig und nimmt seit der achten Klassen an dem Wettbewerb teil. Der kreuzer sprach mit ihr über ihre Leidenschaft am Diskurs und die Frage, warum Formate wie »Jugend debattiert« wichtig sind. Am 18. Juni wird sie Sachsen im Bundesfinale in Berlin vertreten.

kreuzer: Was hat Sie bewogen, bei »Jugend debattiert « teilzunehmen?

Hannah Lilly Lehmann: Ich rede sehr gern und schon immer sehr viel und habe schon immer gerne diskutiert, auch mit meinen Eltern. Die »Jugend debattiert«-Arbeitsgruppe (AG) war da perfekt. Es war cool, dass man in einen Diskurs kommt. Klar ist es immer eine Streitfrage, aber kein aggressiver Streit, sondern man versucht, mit Fakten gegeneinander zu debattieren. Es ist auch immer ein kleiner Wettbewerb: wer hat sich besser vorbereitet? Man lernt extrem viel dabei, alleine inhaltlich, was die Fragen angeht.
 

Wie läuft denn so ein Wettbewerb ab?

Es gibt verschiedene Runden: zuerst die Schulebene, dann die Regionalebene. Die zwei Sieger:innen* kommen weiter ins Landesfinale, das wir jetzt in Dresden hatten. Hier werden wieder die zwei Besten ins Bundesfinale entsendet.
Vor dem Bundesfinale kommen alle (Finalteilnehmenden Anm. d. Red.) auf Burg Rothenfels (Lkr. Main-Spessart, Bayern) zusammen und lernen sich kennen. Wir kommen alle aus ganz Deutschland, das ist immer ein großer Austausch. Jetzt ist es zum Glück wieder in Präsenz und nicht online wie die letzten zwei Jahre.
Aber ich muss sagen, dass »Jugend debattiert« das ganz gut gehandelt hat. Obwohl Debattenkultur nur online stattfinden zu lassen, echt schwierig ist. Man guckt sich nur selbst an und sieht im Gegenzug nicht den Menschen, mit dem man zusammen debattiert. Man kann sich also auch nicht absprechen zwischendurch.
 

Man bestreitet den Wettbewerb also immer in Zweierteams?

Genau. Es gibt je vier Leute, die mitdebattieren. Wie, wird vorher gelost und man erfährt auch erst 15 Minuten vor der Debatte, welche Position man hat. Es gibt Pro eins und Pro zwei und Contra eins und Contra zwei. Die Debatte gliedert sich dann in eine Eröffnungsrede von zwei Minuten, eine freie Aussprache, bei der man einfach ohne Struktur debattiert und eine Schlussrede, in der man Bilanz zieht. Und alles wird von der Jury in vier Kriterien bewertet: Sachkenntnis, Ausdrucksfähigkeit, Überzeugungsfähigkeit und Gesprächsfähigkeit.
 

Wie war das Landesfinale für Sie?

Man kann immer schon vorher ein bisschen einschätzen, wie die Runde lief. Manchmal lässt sich eine Debatte gut führen, manchmal nicht. Und die erste Debatte lief richtig gut. Die zweite Debatte lief für mich grauenhaft. Für uns alle eigentlich, wir fanden die Debatte alle nicht gut oder spannend. Aber wir haben ein total positives Feedback bekommen. Da sieht man auch wieder, wie man sich selbst ganz anders wahrnimmt, als Außenstehende.
 

Das Finale selbst ging dann um die Frage, ob Polizisten im Einsatz gefilmt werden dürfen.

Ja. Wir haben alle nicht damit gerechnet, dass diese Finalfrage drankommt. Wir dachten, dass es ein bisschen zu kontrovers für den Landtag in Dresden wäre. Ich hatte Glück mit meiner Position, ich war Contra zwei, was grundsätzlich eigentlich nicht meine Lieblingsposition ist, aber es hat dann scheinbar ganz gut geklappt. Wir haben uns alle zusammen vorbereitet und fast nichts gegessen, weil wir alle so aufgeregt waren.
Denn es ist ja auch ein ganz anderes Publikum, was man da vor sich hat, auch wichtige Leute wie (Christian Anm. d. Red.) Piwarz sind da. Es war eine ganz ungewohnte Situation, denn auf einmal sind die Leute einem so nahe, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt. Die ersten Sätze gehen immer ein bisschen schwer über die Lippen, aber dann geht’s eigentlich, man blendet das aus und konzentriert sich auf die Debatte. Und die war auch echt schön zu führen.
 

Wie war der Moment, in dem Sie als Siegerin verkündet wurden?

Die Jury zieht sich 15 Minuten zurück und hat bei uns wirklich lange diskutiert. Als die Jury dann wieder reinkam, haben wir uns alle an den Händen gehalten und gezittert. Denn wir wollten natürlich alle weiterkommen.
Wir haben also gewartet, denn zuerst kommt eine allgemeine Einschätzung der Debatte. Dann bekommt jeder Einzelne eine Einschätzung und dann wird von hinten nach vorne die Platzierung verkündet. Ich war schon froh, dass ich nicht beim vierten oder dritten Platz genannt wurde, denn nur der erste und zweite Platz kommen weiter. Und dann kam: »der zweite Platz geht an Laurenz Frenzel«. Damit war klar, dass ich gewonnen habe. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet. Ich konnte es erst gar nicht richtig fassen. Es war einfach ein wunderschöner Moment.
 

Was bedeutet Ihnen das Debattieren? Und gibt es einen Grund, warum Sie es wichtig finden, dass es so etwas wie »Jugend debattiert« gibt?

Es wird immer wieder betont, und da kann ich mich nur anschließen, dass für eine demokratische Gesellschaft Diskurs wichtig ist. Und dass Diskurs auf einer faktisch und moralisch richtigen Ebene wichtig ist. Genau das ist der Punkt bei »Jugend debattiert«. Es geht in der Debatte selbst nicht unbedingt darum, dass wir zu einem Schlusspunkt kommen und dass wir uns auf ein Konzept einigen, sondern es geht darum, dass man seine Meinung beibehält. Aber man lernt einfach, miteinander zu reden. Gerade in der Schülervertretung hilft es extrem viel, dass man weiß: man muss auch auf andere eingehen. Man muss das strukturieren, was man sagt. Irgendwann hat man auch ein Grundkonzepte für sich entwickelt, wie man sich mit Thematiken auseinandersetzt. Man muss da auch mit Themen arbeiten können, die einem nicht so liegen. Dementsprechend ist »Jugend debattiert« so wichtig.
Man lernt: ich habe eine Stimme, ich kann etwas sagen und muss das nicht immer nur Leuten überlassen, die sich damit schon auskennen, weil es ihr Fachgebiet ist. Das ist etwas, was ich bei mir an der Schule oft beobachten kann: Man hält sich eher raus, weil es ja auch anstrengend ist, was zu sagen. Und das sehe ich nicht so.

 

*Die Gesprächspartnerin hat in gendergerechter Sprache gesprochen. Wir haben das deshalb im Interview übernommen.

Titelfoto: Johanna Sim. 


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