Am 25. Mai feiert die Leipziger Oase endlich ihr 25jähriges Jubiläum – mit zwei Jahren Verspätung: 2020 machte die Pandemie die bereits geplante Feier unmöglich. Umso freudiger werde die Jubiläumsveranstaltung mit dem Zusatz »+2« jetzt nachgeholt, sagt Benjamin Müller, der seit vier Jahren die Ökumenische Kontaktstube für Wohnungslose leitet. Es ist eine Gelegenheit, Danke zu sagen für die gegenseitige Unterstützung in den vielen Jahren, die nun schon hinter der Wohnungslosenhilfe liegen, und um Kraft zu sammeln für die kommenden Jahrzehnte.
Seit nunmehr 27 Jahren übernimmt die Leipziger Oase eine wichtige Rolle für das Zusammenleben in der Stadt, die Anfänge liegen sogar noch ein wenig weiter zurück. Zu Beginn der Neunzigerjahre zeigte sich: Es besteht Hilfebedarf für Menschen ohne festen Wohnsitz in Leipzig. Engagierte Bürger gründeten daraufhin einen Tagestreff in der Elsterstraße; die Räume stellte damals die Caritas zur Verfügung, die bis heute – neben der Diakonie – Träger der Kontaktstube ist. Wohnungslose Menschen fanden dort Unterstützung und Gemeinschaft, bevor 1995 schließlich die »Oase« am Brühl eröffnet wurde. Seit 2005 befindet sich die Einrichtung in der Nürnberger Straße.
Dreizehn Festangestellte und 40 Ehrenamtliche sorgen heute dafür, dass hier täglich bis zu 90 Menschen einen zuverlässigen und sicheren Platz zum Ankommen, Ausruhen, Duschen und Wäsche waschen finden. Frühstück, Mittagessen und auch Kaffee und Kuchen werden angeboten. Wer wohnungslos ist und sich gerne einbringen möchte und kann, arbeitet beispielsweise ehrenamtlich in der Kleiderkammer und in der Küche oder findet in Werkstatt und Garten etwas zu tun. Ein Streetworker-Team macht es möglich, dass auch die Menschen erreicht werden, die sich außerhalb des Innenstadtbereichs aufhalten, etwa in selbst gebauten, improvisierten Unterkünften. Sozialpädagogen leisten Hilfestellung bei individuellen Problemen. Außerdem gibt es in der Oase die Möglichkeit, eine Postadresse einzurichten, um dann beispielsweise behördliche Angelegenheiten regeln zu können. Viele, die hierher kommen, sind Stammgäste, aber es finden auch immer wieder neue Gesichter den Weg in die Nürnberger Straße, denn die »Oase« ist weithin vernetzt und gut bekannt.
Schon an der örtlichen Entwicklung der Kontaktstube – weiter aus der Innenstadt hinaus – lässt sich die zunehmende Verdrängung ablesen, von der viele Menschen, aber insbesondere auch Wohnungslose betroffen sind. In den vergangenen fünf Jahren habe Leipzig sich noch einmal rasant verändert, erzählt Müller. Durch die weiterhin steigende Beliebtheit der Stadt wächst der Druck: wer früher noch auf Brachen und in Ruinen in und um die Innenstadt Unterschlupf finden und vielleicht auch einen kleinen Ort für sich schaffen konnte, sucht heute oft vergeblich (s.a. Benjamin Müller im Gespräch mit dem kreuzer, Heft 9/21). Wohnungslosen bleibt immer weniger Platz im betriebsamen Stadtkern, sie müssen ausweichen und dementsprechend oft weite Strecken zurücklegen.
Einfacher wird’s nicht: Die Pandemie erschwerte es den Menschen gerade im Winter, in bestehende Strukturen hineinzukommen, sagt Müller. Viele Angebote mussten eingeschränkt werden, die ohnehin oft nagende Einsamkeit nahm weiter zu. Bereits unsichere Arbeitsverhältnisse wurden noch unsicherer, viele verloren ihre Einnahmequellen.
Aktuell kämpfen Wohnungslose wie auch Unterstützerorganisationen mit den rasant steigenden Preisen. Obwohl beispielsweise Kooperationen mit Supermärkten für das Essensangebot bestehen – kostendeckend zu arbeiten werde auch für die Oase immer schwieriger, berichtet Müller. Und es sei abzusehen, dass sich für viele, die sich ihre Wohnung aktuell gerade noch leisten können, die Lage zum Ende des Jahres verschärfen wird: dann werden die Nebenkosten abgerechnet.
Ohnehin sind es immer jene, die bereits von wenig leben müssen, die die Auswirkungen steigender Preise als erste spüren. Doch gerade in Leipzig sei die Hilfsbereitschaft oft groß, fügt Müller hinzu. Trotz all der neuen und alten Herausforderungen gibt es also Gründe zu feiern. Zur Jubiläumsfeier werden alle zusammenkommen – geladene Gäste aus Kirche und Ehrenamt, Mitarbeitende und andere Unterstützende, aber auch Nachbarinnen und Nachbarn und natürlich die Menschen, um die es geht: die regelmäßigen Gäste der Kontaktstube. In einem offenen Programm mit gemütlichem Beisammensein sollen die Gemeinschaft und der Zusammenhalt gewürdigt und gefeiert werden. Dazu spielt die Leipziger Band Stilbruch, außerdem werden zwei Ausstellungen gezeigt, das neue Gartenprojekt wird vorgestellt und das neue Logo der Leipziger Oase präsentiert.
Von den Passanten und Passantinnen wünscht sich Benjamin Müller »offene Ohren und offene Augen« - und ganz generell: eine Stadtgemeinschaft, die auch in Zukunft zusammenhält.
Titelfoto: Seit über einem Jahr besteht eine Pflegepatenschaft für die städtische Grünfläche: wohnungslose Gäste und Ehrenamtliche betreuen die Beete im neuen Garten. Copyright: Leipziger Oase.