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Kultur

»Rassismus ist erlernt und kann deshalb auch verlernt werden«

Autor Mohamed Amjahid liest aus seinem Buch

  »Rassismus ist erlernt und kann deshalb auch verlernt werden« | Autor Mohamed Amjahid liest aus seinem Buch

Vergangenen Montag las der Autor Mohamed Amjahid in der Leipziger Stadtbibliothek aus seinem zweiten Buch und beantwortete Fragen zu Rassismus, Ostdeutschland und Süßkartoffeln.

In »Der weiße Fleck – Eine Anleitung zu antirassistischem Denken« schreibt der Autor und Journalist Mohamed Amjahid über weiße Zerbrechlichkeit, rassistische Pornographie und kritische Aspekte der deutschen Erinnerungskultur. Am Ende des Buches gibt er den Lesenden »Lifestyle-Tipps für Süßkartoffeln«. »Süßkartoffeln« nennt Amjahid weiße Deutsche, die sich antirassistisch reflektieren und verhalten – nicht ganz unkontrovers, wie auch der kreuzer berichtete. Doch viele der Gäste, die sich zu Amjahids Lesung versammeln, streben vermutlich ein Dasein als Süßkartoffel an. Nur einzelne Stühle bleiben frei bei der Veranstaltung des MOSAIK Leipzig e.V., der unter anderem Migrationsberatung anbietet. Anne Fleischer, die Lesung und Diskussion für den Verein moderiert, berichtet von Rassismuserfahrungen, die in den Beratungen oft eine Rolle spielen. Deshalb hoffe sie, mit Amjahids Lesung einen Beitrag dazu leisten zu können, weiße Menschen in Leipzig zum Hinterfragen ihrer Privilegien zu motivieren.

Um eine Süßkartoffel zu sein, sei es oft am wichtigsten, Betroffenen zuzuhören, so der Autor. Besonders kritisch sehe er es, wenn weiße Menschen sich im antirassistischen Kampf zentrieren und den Aktivismus performativ ausleben, anstatt BIPOC (Black, Indigenous, People of Color – eine verbreitete politische Selbstbezeichnung nicht-weißer Menschen) zu fragen, was in einer Situation überhaupt gewollt ist. Dasselbe gelte für andere Diskriminierungsformen: »Wenn es zum Beispiel um Sexismus geht, kann ich als cis Mann auch einfach mal die Klappe halten und zuhören«.

Denn bei Rassismus geht es nicht nur um Nazis. Man mag sich als weiße Person bemühen, eine Verbündete zu sein, doch Rassismus ist oft etwas unbewusst Verinnerlichtes. Daher werden ihn auch sensibilisierte Menschen von Zeit zu Zeit ungewollt reproduzieren. In Bezug auf den Veranstaltungsort Leipzig sagte Amjahid: »Es wäre einfacher, wenn ich sagen könnte, Sachsen ist das Problem. Aber ich bin in Hessen geboren – Hessen ist auch das Problem. Es geht nicht nur um die AfD oder die rechte Ecke«. Nach dem Terroranschlag 2019 in Halle, bei dem ein Rechtsextremist jüdische Menschen in einer Synagoge ermorden wollte und zwei Menschen außerhalb des Gebäudes erschoss, als er nicht hineinkam, war Amjahid vor Ort. Er berichtete: »Viele Menschen in Halle haben sich nur um eine Sache Gedanken gemacht – um das Image von Ostdeutschland« und plädierte für eine neue Prioritätensetzung, schließlich gehe es um Leben und Tod. »Wir haben politische Kräfte, die wollen, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken, dass Menschen von der Polizei verprügelt werden, dass Menschen keine Wohnung bekommen, aufgrund ihrer Herkunft. Dass Oury Jalloh in Dessau einfach verbrennen kann – das ist die Fallhöhe«.

Sein Buch, »Der weiße Fleck«, erfahre gemischtes Feedback: Viele, BIPOC sowie (angehende) Süßkartoffeln, seien inspiriert und bestärkt, andere proklamierten »das Ende des Abendlandes«. Einige weiße Deutsche fühlten sich nicht wohl mit sprechfähigen, schreibenden BIPOC – doch ohne Gewalt seien sie nicht mehr zum Schweigen zu bringen, da ist Amjahid sich sicher. Er selbst macht das deutlich, indem er weiter schreibt und im September sein neues Buch »Let’s talk about Sex, Habibi. Liebe und Begehren zwischen Casablanca und Kairo« veröffentlicht.

 

Titelfoto: Antoine Midant. Buchcover Piper Verlag. 


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