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Stadtleben

United Capital mit Mehrheit in der Harnackstraße 10

Andere Wohnungseigentümer fühlen sich von der Immobilienfirma unter Druck gesetzt

  United Capital mit Mehrheit in der Harnackstraße 10 | Andere Wohnungseigentümer fühlen sich von der Immobilienfirma unter Druck gesetzt

Die Harnackstraße 10 dürfte mittlerweile einigen Menschen ein Begriff sein. Über die Hausgemeinschaft gab es bereits mehrere Medienberichte (u.a. luhze und kreuzer 03/22)  ). Grund dafür ist die Immobilienfirma United Capital. Sieben der zwölf Wohnungen wurden dort in den letzten Monaten entweder von der Firma oder von einem ihrer Geschäftsführer als Privatperson gekauft, von Kevin Rader oder Sven Schwarzat. Damit gehört ihnen jetzt die Mehrheit des Hauses.

Auf dieser Grundlage planen Rader und Schwarzat nun mehrere Maßnahmen:

In einem Brief an die übrigen Eigentümerinnen, der dem kreuzer vorliegt, kündigen sie an, dass sie in den nächsten Jahren »Investitionskosten von 50.000 bis 70.000 Euro pro Wohnung« vermuten, um das Haus in ein klimaneutrales umzubauen – eine Summe, die für einige Eigentümer nicht tragbar wäre. Im selben Brief steht, dass die Instandhaltungsrücklage für jede Eigentümerin um 10.000 Euro erhöht werden solle und dass Rader und Schwarzat erwägen, das Haus selbst zu verwalten; den Vertrag mit der aktuellen Hausverwaltung würden sie jedenfalls nicht verlängern. Sollten die anderen Eigentümer das Investitionsvorhaben ablehnen – so das Ende des Briefes –, könnten sie ihre Wohnungen für jeweils 145.000 Euro an Rader und Schwarzat verkaufen.

Eine Mehrheit in der Eigentümergemeinschaft öffnet Handlungsräume.

Rechtsanwalt Dr. Eric Lindner vom Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer-Verein Leipzig erklärt die rechtliche Grundlage: »Mehrheitsbeschlüsse sind für alle Eigentümer bindend, solange sie im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung sind.«

Das heißt: Mit einer Mehrheit kann, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind und die Maßnahmen »angemessenen Charakter« haben, über vieles im Haus entschieden werden. Neben den angekündigten Investitionen wurde zum Beispiel eine neue Hausordnung in der Harnackstraße aufgesetzt.

Der Grund für das Investitionsvorhaben in der Harnackstraße, so Kevin Rader auf kreuzer-Anfrage, sei der »schlechte energetische Zustand« des Hauses, der zu »stark steigenden Nebenkosten« führe. Entschieden sei aber noch nichts, da das Konzept noch in der Eigentümergemeinschaft und mit dem Amt für Wohnungsbau diskutiert werden müsse.

Christian*, einer der Eigentümer, fühlt sich trotzdem vor vollendete Tatsachen gestellt und unter Druck gesetzt: »Sie nutzen ihre Macht aus. Dieses Schreiben mit dem 70.000 Euro-Investitionsvorhaben: Das ist schon eine Summe, von der man sich bedroht fühlt. Weil: nicht jeder hat das mal eben so rumliegen«.

Den Brief an die Eigentümerinnen sieht auch Rechtsanwalt Lindner problematisch: »Was nicht geht, ist eine Drucksituation aufzubauen und schon Schritte anzukündigen, wo man sagen kann: Die sind von vornherein zweifelhaft – wie eine sprunghafte Erhöhung der Instandhaltungsrücklage. Da hätte ich Zweifel, dass das ordnungsgemäß ist. Und diese Ankündigung von allen möglichen Sanierungsmaßnahmen, ohne dass man das konkreter macht oder auf Bedenken der anderen eingeht, ebenfalls«.

Georg*, dem ebenfalls eine Wohnung im Haus gehört, sieht die Entwicklungen auch kritisch: »Das war natürlich zu befürchten, dass sie die Mehrheit irgendwann kriegen.«, äußert er im Gespräch mit dem kreuzer seine Bedenken. Außerdem: »Als Laie kann man das natürlich schlecht beurteilen. Und wir haben auch nicht das Geld, irgendwelche großen Prozesse zu führen«.

Vor kurzem hat bereits die jährliche Eigentümerversammlung der Harnackstraße 10 stattgefunden. Die Hausverwaltung hatte eingeladen, es war die erste Versammlung, seit dem die Mehrheit des Hauses United Capital, Rader und Schwarzat gehört. »Ich war innerlich verknotet«, erinnert sich Christian an das erste Aufeinandertreffen mit Rader und Schwarzat. Die beiden seien »nicht sehr sympathisch aufgetreten« und hätten »gleich mit ihrer Macht gesprochen«, ergänzt er, »überhaupt nicht kollegial oder im Gemeinschaftssinn denkend, sondern wirklich: Wir haben jetzt die Macht und können hier machen, was wir wollen.«

Christian und Georg sind beunruhigt von den Vorgängen, aber verkaufen wollen sie ihre Wohnungen nicht: »Ich finde, so was kann man nicht durchgehen lassen. Jetzt ist es dieses Haus, dann ist es ein anderes. Wenn die damit erfolgreich sind, dann findet was statt, das man überhaupt nicht gutheißen kann. Und wenn man sich da wehren kann, dann sollte man das tun«, sagt Christian kämpferisch. 

* Name geändert, aber der Redaktion bekannt.


Titelbild: Hoffest der Mieterinnengemeinschaft. Bildrechte: Initiativgruppe »Harnack 10 wir bleiben alle«.


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1 Kommentar(e)

Max*im Mieter*in 14.09.2022 | um 06:24 Uhr

Hallo, wenn sich andere Vermieter*innen die mit dieser Firma zwangsläufig zu tun haben bedrängt fühlen, ehemalige wie aktuelle Mieter*innen auch anderer Wohnungen sowie die Mitarbeiter*innen der Stadt von dieser Firma vorgeführt fühlen, was kann man da wohl gesellschaftlich machen? Welche Werte hat unsere Gesellschaft, wo soll es hingehen? Solidarisch miteinander oder gewinnorientiert gegeneinander? Die armen Mitarbeiter*innen der Stadt, welche die Anfragen des Stadtrats bearbeiten müssen! Herr B. Jung! Wann setzen sie sich endlich mal für die breite Schicht ihrer Wähler*innen und als Oberhaupt der Stadt für alle anderen gleichermaßen ein? Sie sehen doch wie diese Firma moralische Grundsätze mit Füßen tritt! Aktuelle Nachfragen im Stadtrat sind ihnen bekannt! Handeln sie! Stadtrat: https://ratsinformation.leipzig.de/allris_leipzig_public/vo020?VOLFDNR=2006184&refresh=false