Die Stadt und die Gedenkstätte Zwangsarbeit erinnern mit einer Stele an das KZ-Außenlager der HASAG Leipzig in der Kamenzer Straße. Am Dienstag fand die Einweihungsfeier statt – die vor allem die Probleme in der Erinnerungsarbeit zeigte.
Muskulöse Männer sitzen an einem Biergartentisch vor einem heruntergekommenen DDR-Verwaltungsgebäude in der Kamenzer Straße 10. Vor ihnen auf dem Tisch steht eine schwarze Farbsprühdose. Lautsprecher, Grill und Getränke vervollständigen das Bild für ein Grillfest. Es wurde vom Besitzer der Gebäude Kamenzer Straße 10 und 12 am Dienstagnachmittag zeitgleich zur Einweihung der Gedenkstele für das größte Außenlager des KZ Buchenwald in der Kamenzer Straße organisiert. Von der Nummer 12 her kläfft ein Dobermann zur Feierlichkeit herüber.
Auf dem Gelände der Nummer 10 und 12 befand sich das KZ-Außenlager HASAG Leipzig. Die Gedenkstele steht am Fußweg des Grundstückes Nummer 8. Auf der neuen Stele in der Kamenzer Straße stehen unter anderem Beschreibungen zum Ort, dem Unternehmen und den Bedingungen im Lager. Neben ihr ist noch ein Mast zu sehen, an dem bis zur Einweihung der Stele am Dienstag noch Erinnerungstafel hing. 2010 hat die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Leipzig diese errichtet. Mehrere Male zerstörten Rechte sie. Auch die neue Stele wies am Dienstagnachmittag bereits Spuren der Zerstörung auf.
Burkhard Jung ist mit der Situation um und auf dem Gelände des ehemaligen Außenlagers – als letztes bauliches Zeugnis eines Lagers dieser Art in Leipzig – nicht zufrieden. Zumal sich das Gelände »im Besitz eines einschlägigen Neonazis« befindet. Dies bedeute »ein Desaster für diesen historischen Ort«, sagt Jung in seiner Einweihungsrede am Dienstag. Dass die Sächsische Denkmalschutzbehörde dem ehemaligen Außenlager den Schutz als Kulturdenkmal verwehrt, könne er nicht nachvollziehen und nennt es einen »schweren Fehler«. Allerdings falle der Kauf des Geländes seitens der Stadt schwer. Denn das würde bedeuten, dass »öffentliche Gelder in die Hände eines Rechtsextremen« wandern.
Jens-Christian Wagner, der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, erinnert in seiner Rede an die vielen Legenden, die sich nach 1945 um KZ-Außenlager mitten in der Gesellschaft rankten und appelliert an die gemeinsame Verantwortung gegenüber den Erinnerungen, denn »Buchenwald fand vor der Haustür statt«. Daher müsse mit den historischen Orten verantwortungsvoll umgegangen werden. Die Nutzung durch Rechtsextreme bedeutet seiner Meinung nach, dass hier noch »erheblicher Handlungsbedarf« besteht.
Den Handlungsbedarf spürt die Gedenkstätte für Zwangsarbeit seit Jahren ganz besonders, wenn sie mit Überlebenden und deren Angehörigen den Ort aufsucht. Ein würdiges Gedenken vor einem Zaun mit einem kläffenden Wachhund ist nicht möglich. Dies erfuhr auch Harry Frey, der zur Einweihungsfeier spontan sprach. 1935 verließ sein Vater Leipzig und ging später nach Australien. Seine Tante Lola Better wurde im August 1944 aus Polen in das Außenlager deportiert. Sie lebt heute in Australien. Frey begab sich schon vor Jahrzehnten und lange vor dem Besuchsprogramm der Stadt Leipzig für ehemalige jüdische Bürgerinnen und Bürger auf die Suche nach Spuren in der Stadt. Sie waren nirgends zu finden und niemand war an dem Kapitel Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen interessiert. Dies änderte sich spätestens mit der Errichtung der Gedenkstätte für Zwangsarbeit vor 21 Jahren auf dem ehemaligen Werksgelände der HASAG.
Eine digitale Karte der Gedenkstätte für Zwangsarbeit zeigt über 700 Orte von NS-Zwangsarbeit auf. Sie lagen nicht nur an der Peripherie, sondern mitten in der Stadt. Dort Spuren zu finden, wäre der nächste Schritt, denn aktuell scheint der innerstädtische Raum nur voller Erinnerungstafeln für die Ereignisse von 1989.
Titelbild: Christiane Gundlach