In einem Park im Leipziger Osten trifft der kreuzer Rommy Reinhard und ihren Labrador Otto zu einem Spaziergang. Die beiden sind ein sogenanntes Mensch-Assistenzhund-Team, denn Otto ist Reinhards Blindenführhund, der ihr hilft, ihr stark eingeschränktes Sehvermögen auszugleichen, indem er Wege sucht, Ausgänge oder Ampeln anzeigt. Anzeigen kann, je nach den Bedürfnissen der Teams, ein Anstupsen, Pfote-Auflegen, Hinsetzen oder Bellen sein. Auf die Frage, ob es manchmal Probleme damit gibt, Otto in Geschäfte mitzunehmen, entgegnet Reinhard: »›Manchmal‹ ist niedlich ausgedrückt. Die berufen sich dann auf ihr Hausrecht, aber er ist ja kein Hofhund – er kann sich benehmen, besonders im Führgeschirr.« Denn wenn Otto statt einer gewöhnlichen Leine sein Führgeschirr trägt, wisse er, dass er jetzt arbeite, und sei dementsprechend konzentrierter; doch auch im Freizeitmodus helfe er Reinhard, wenn sie unsicher wird, und suche zum Beispiel einen anderen Weg, wenn der vertraute durch eine Baustelle blockiert wird.
Neben Blindenführhunden wie Otto, die sicher vielen Menschen ein Begriff sind, gibt es viele andere Arten von Assistenzhunden. Sandra Neubert hat zum Beispiel Amy. Die Hündin hilft ihr bei Herausforderungen, denen Neubert durch Narkolepsie, eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS) und Autismus begegnet. Amy ist ebenfalls ein Labrador, doch grundsätzlich ist jede Rasse als Assistenzhund geeignet, auch kleine. Welche Rasse die beste ist, kommt auf die gewünschten Assistenzleistungen an – ein knöchelhoher Chihuahua kann seine Person zum Beispiel schlecht stützen oder führen.
Die Vielfalt der möglichen Leistungen ist groß: Es gibt Hunde, die Menschen mit Diabetes vor Blutzuckerschwankungen und Menschen mit Epilepsie vor Anfällen warnen. Andere agieren für gehörlose oder schwerhörige Personen wie ein externes Ohr, indem sie ihren Menschen das Klingeln des Weckers oder auch den Ton eines Feuermelders anzeigen. Manche lernen, Dissoziationen zu unterbrechen, Hilfe zu holen, Medikamente zu bringen. Dies sind nur einige Beispiele für die Arten, auf die Assistenzhunde den Alltag erleichtern und ganz konkret Leben retten. Deshalb ist es unerlässlich, Hunde, die eine Assistenzhund-Kenndecke oder ein Führgeschirr tragen, nicht abzulenken, indem man sie anspricht, streichelt oder eigene Hunde zu ihnen laufen lässt.
Sowohl für Sandra Neubert als auch für Rommy Reinhard bedeuten ihre Hunde, ohne Begleitperson das Haus verlassen zu können. »Bevor ich Amy hatte, bin ich, sobald es dunkel war, gar nicht mehr rausgegangen und nach einer Retraumatisierung konnte ich dann auch tagsüber nicht mehr nach draußen. Mit Amy wurde das dann ziemlich schnell besser«, so Neubert. Amy kann zum Beispiel vor Panikattacken warnen, noch bevor Neubert selbst merkt, wie angespannt sie ist. In sozialen Situationen lenkt Amy den Fokus auf sich, wenn ihre Halterin überfordert ist, und wenn sie durch ihre Narkolepsie in der Öffentlichkeit einschläft, kann Amy sie wecken – was besonders im Straßenverkehr essenziell für ihre Sicherheit ist. Auch die bloße Anwesenheit von Amy wirke oft beruhigend und mindere das Alleinsein, wenn Kontakte zu Menschen zu viel werden. Damit übernimmt sie auch Aufgaben eines Therapiehundes, deren Leistungen prinzipiell von Assistenzhunden zu trennen sind, sich in den Bereichen Autismus, (K)PTBS oder auch beim fetalen Alkoholsyndrom jedoch ergänzen können.
Menschen aufgrund ihres Assistenzhundes den Zutritt zu verweigern, ist laut Teilhabebestärkungsgesetz nicht zulässig und kann außerdem als Ableismus bezeichnet werden, also als Diskriminierung behinderter Menschen. Insbesondere, wenn Einschränkungen vorliegen, die nicht direkt sichtbar sind – wie etwa bei Sandra Neubert –, wird die Zutrittsberechtigung der Teams sowie die Notwendigkeit des Assistenzhundes oft in Frage gestellt. »Es ist unverschämt, bei einer unsichtbaren Behinderung anzuzweifeln, dass der Hund gebraucht wird. Nach einem Nachweis darf gefragt werden – nicht aber nach einer Diagnose«, sagt Neubert, die sich auch politisch für Zugangsrechte, Anerkennung und Finanzierungsmöglichkeiten einsetzt. Abgesehen von Blindenführhunden, die schon länger als Hilfsmittel anerkannt sind, werden Assistenzhunde aktuell nämlich nicht von Krankenkassen bezahlt. Dies stellt für viele Betroffene eine enorme Hürde dar, denn neben den Haltungskosten, die jeder Hund mit sich bringt, kommt bei Assistenzhunden die Ausbildung hinzu, die zwar in manchen Fällen von Fonds oder der Eingliederungshilfe des kommunalen Sozialverbandes übernommen wird, oftmals aber auch eine große finanzielle Belastung ist. Mit dem Verein Lichtblicke engagiert sich Sandra Neubert unter anderem für die Gleichstellung anderer Assistenzhunde mit Blindenführhunden und damit für weniger Hürden, »denn Assistenzhunde sorgen dafür, dass Menschen überhaupt vor die Tür gehen können. Assistenzhunde sorgen dafür, dass Menschen nicht in lebensbedrohliche Zustände kommen«.
> Mehr Infos zum Verein Lichtblicke gibt es hier.
Foto: Sandra Neubert.