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Hinfahren und Platz nehmen

Wie das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz auch das Umland empowern will

  Hinfahren und Platz nehmen | Wie das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz auch das Umland empowern will

Aus unserer August-Titelgeschichte: Das Netzwerk Leipzig nimmt Platz setzt sich rechten Bewegungen entgegen. Immer öfter mobilisieren sie auch ins Umland.

Unermüdlich treten die Aktivistinnen und Aktivisten von Leipzig nimmt Platz rechten Bewegungen entgegen – und das nicht nur in Leipzig. Immer wieder wird auch ins Umland mobilisiert, um Proteste gegen rechts zu unterstützen. Hier wie dort geht es dem Aktionsnetzwerk darum, öffentliche Räume demokratiefeindlichen Bewegungen nicht zu überlassen und zivilgesellschaftliche Gruppen zur gemeinsamen antifaschistischen Arbeit zu vernetzen.

In seiner heutigen Form wurde das Netzwerk 2009 gegründet, damals, um einem Aufmarsch von »Nationalen Sozialisten« etwas entgegenzusetzen. Heute habe Leipzig nimmt Platz eine große Reichweite und erfahre breite Unterstützung, sagt Irena Rudolph-Kokot, die im Namen der Gruppe mit dem kreuzer spricht. Regelmäßig stehe man im Austausch mit Gewerkschaften, anderen antifaschistischen Gruppen, den Jugendorganisationen der rot-rot-grünen Parteien, aber auch kirchlichen Einrichtungen und Bürgervereinen. Zwar finde die Hauptarbeit in Leipzig statt, aber man müsse ehrlich sein: Im Rest Sachsens sei der Bedarf an Unterstützung gegen rechts wesentlich höher, sagt Rudolph-Kokot. Spätestens seit Legida kämen aus dem Umland Bitten um Unterstützung: »Viele, die montags nach Leipzig gereist sind, kamen aus den Städten im Umland. Wir haben dann gesagt: Wir fahren dahin, woher Legida kommt!«

Manchmal melden sich Leute aus kleineren Städten, die dort gerne den Rechten etwas entgegensetzen wollen, aber dafür schlicht zu wenige sind oder keine Erfahrung haben. »Da versuchen wir natürlich, zu empowern«, sagt Rudolph-Kokot. Es komme auch vor, dass engagierte Menschen aus kleineren Städten Angst hätten, eine Veranstaltung selbst anzumelden – etwa, weil AfD-Stadträte ihre Daten einsehen könnten. Dann springt jemand von Leipzig nimmt Platz ein. Denn auch abseits der größeren Städte seien Antifaschistinnen und Antifaschisten zu Hause, die oft einem ständigen Kampf ausgesetzt seien und Unterstützung bräuchten, so Rudolph-Kokot. Ungefragte Interventionen gebe es von Leipzig nimmt Platz nicht – das Netzwerk engagiert sich nur, wenn es bereits Menschen vor Ort gibt, die Protest organisieren wollen: »Dann ist es unsere Aufgabe, aus unserer relativen Komfortzone da hinzufahren« – also zum Kommen aufzurufen, Anreisen zu organisieren, den Protest durch eine Zubringerdemonstration zu unterstützen. Hin und wieder werden dafür extra Busse organisiert, meist ist aber die Bahn das Verkehrsmittel der Wahl. Dann werden Soli-Tickets zur Verfügung gestellt, um auch Menschen ohne Einkommen die Anreise zu ermöglichen – Unterstützerinnen, unter ihnen manche Abgeordnete, kommen dabei für den Fahrpreis auf. So können schon mal zweihundert Aktivistinnen und Aktivisten aus Leipzig zu einer Demo anreisen. Lange Tradition hat die Zusammenarbeit mit Initiativen in Chemnitz und Dresden, auch wenn von dort ins nähere Umland mobilisiert werde – »Riesa, Freital und so weiter« –, reise man aus Leipzig an. Zu den antifaschistischen Organisationen in Taucha, Grimma, Borna und Ostritz bestünden ebenfalls gute Kontakte. Das Beispiel Taucha zeige: »Die Umlandstrukturen sind auch in den Rändern von Leipzig«, sagt Rudolph-Kokot.

In diesen Strukturen fühlten sich rechte Akteure auch aufgrund der Corona-Proteste im Aufwind, ganz besonders in Sachsen, wo die neue und die alte Rechte gemeinsam auftrete. Eine »Bewegungsrechte« versuche, gesellschaftliche Strömungen für sich zu nutzen und dabei fortschrittlich zu wirken. Doch am Ende stünden dahinter immer Rechtsextreme, immer wieder dieselben Akteure mit Überschneidungen zu NPD, III. Weg und Freien Sachsen. Oft gelinge es ihnen, Empörungswellen für sich zu nutzen, um die eigenen Inhalte in die bürgerliche Mitte zu tragen und den Diskurs etwas nach rechts zu verschieben. Die Aktivistin warnt: »Die Narrative werden jetzt neu gestrickt«, Inflation und soziale Gerechtigkeit, Krieg und Klima seien Themen, an die auch von rechts angedockt wird: »Da müssen wir extrem aufpassen.«

Foto: Christiane Gundlach


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