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Kultur

Diesseits der Donnerkuppel

Das Partysan-Open-Air ist als wichtigste Extremmetal-Bühne des Ostens zurück

  Diesseits der Donnerkuppel | Das Partysan-Open-Air ist als wichtigste Extremmetal-Bühne des Ostens zurück

Erstmals seit 2019 fand am vergangenen Wochenende das Metal-Open-Air Partysan wieder statt. Selbst die sonst finster inszenierten Bands konnten ihre Freude darüber, zu spielen, kaum verbergen.

»Thank you for the music«: Unter hundertkehligem Gesang, in die Luft gereckten Metalfäusten und kreisenden Kopfbehaarungen endete Sonntag in der Früh Ostdeutschlands wichtigstes Extremmetal-Festival. Was ungewöhnlich klingt, gehört zur Routine: Das Partysan-Open-Air schließt immer mit einer halben Stunde ABBA aus der Konserve und einer Polonaise. Zuvor gaben mit Dismember ein Urgestein des Death-Metals das Finale im offiziellen Festivalteil. Unter herrlich knarzenden Gitarrenkaskaden, tief hängenden Bass-Schleifen und einem Getrommel, dem man seine Herkunft aus dem Punk noch anhört, begeisterten die Schweden alle, die im nordthüringischen Schlotheim noch stehen konnten – und zeigten wie die meisten eine Spielfreude, die sich vor allem aus Jahren pandemischer Live-Abstinenz erklärt. Selbst Bands, die sich sonst als finster und elitär inszenieren, konnten ihre Freude kaum verbergen, hier zu sein.

Kann man über Metal-Festivals noch schreiben, ohne die Worte »Pommesgabel« und »Metalheads« zu benutzen? Angesichts der üppigen Wacken-Berichterstattung scheint das aussichtslos. Allerdings hat man einen völlig falschen Eindruck, wollte man das Partysan an Wacken messen. Es ist keine kleine Ausgabe davon. Viele, die die Wiese bei Mühlhausen besuchen, würden keinen Fuß auf Norddeutschlands bekanntesten Acker setzen: zu groß, zu Mainstream, zu poppig. Schlamm-Catchen und Wikingerdorf, Mambo Kurt und Paulaner Biergarten haben auf dem Partysan keinen Platz. Da können Tagesschau & Co. noch so oft vom Wacken Open Air berichten: Es bleibt ein Kindergarten. Der hat gewiss seine Berechtigung, aber beim Partysan geht es nur um den Musikgenuss – und das darüber Sprechen. Bestenfalls mit dem ersten wildfremden Menschen, dem man am Getränkestand begegnet. Der wird eine Meinung und Ahnung haben, und diese gern mitteilen.

Rund 10.000 solcher Musikexperten kamen also für drei Tage zusammen. »Endlich wieder«, war wohl die meist gebrauchte Floskel auf einem Festival, auf dem die Leute noch ein bisschen aufmerksamer und behutsamer als sonst miteinander umgingen. Corona ist auch auf so einem Totentanz allgegenwärtig, der die menschliche Endlichkeit mit drastischer Symbolik beschwört.

Dismember also schoben den Schlussstein in dieses Gewölbe aus umgedrehten Kreuzen. An dem haben nach der erstaunlichen Grundsteinlegung am Donnerstag Nachmittag durch die Grindcore-Komiker von Birdflesh (Schweden) viele mitgezimmert. Genannt seien nur jene Mitklöppler der akustischen Kathedrale der Macht und Kuppel der Angst: Ziemlich am Anfang sorgten Der Weg einer Freiheit (Würzburg) für eine nackenbrechende Dreiviertelstunde. Groovig, aber mit schnörkellosen Saitensägen und Snaregeklöppel gruben sie sich in die Gehörgänge. Das ist frischer Black Metal aus Deutschland, der ohne Bühnenkostümierung, Theaterschminke und -blut auskommt. Auch Cannibal Corpse begeisterten gerade durch Verzicht auf zu große Gesten, sie waren routiniert, wie eh und je, aber wirkten weniger distanziert. Bock auf Bühne hatten ebenfalls die Meister des Klargesangs von High Spirit (USA).

Vor allem aber für Fans grindigen Death-Metals schlugen die Herzen höher. Die Chemnitzer von Cytotoxin konnten sich am Samstagabend als Co-Headliner auf der Zeltbühne endlich mal ein größeres Publikum präsentieren; einem massiven Circle-Pit inklusive. Im Kreise mit aufblasbaren Tieren und Seifenblasen rannten die Fans auch zu Kadaverficker (Dortmund, Foto). Misery Index (USA) zertrümmerten die zweite Nacht, bevor die musikalisch perfekten, aber etwas zu sehr als Beruhigungsmittel wirkenden Doomer von Katatonia (Schweden) dran waren. Carcass (UK) schließlich ballerten alles weg. Voll war der Platz vor der Bühne. Hunderte gaben sich dem Headbangen hin, Dutzende Unverdrossene  rannten im Kreis. Carcass zogen allen die Wurst von der Stulle. Sie zückten das Vivisektionsbesteck und spielten vor allem die ersten Alben runter.

Es war eine würdige Rückkehr des Partysans, das einmal mehr ohne Bullshit und überflüssiges Beiwerk auskam. Für den hübsch-romantischen Vollmond über der Bühne können die Veranstalter ja nichts. Thank you for the Music.


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1 Kommentar(e)

PSOA Besucher 16.08.2022 | um 10:25 Uhr

Gut geschrieben!