Was kaputt ist muss nicht unbedingt in den Müll – das wollen die Gründer*innen der »Fuge«, einem Reparaturcafé im Leipziger Osten vermitteln. Der kreuzer hat die »Werk-statt-Tonne« mit einem Toaster bewaffnet ausprobiert.
Meine Wohngemeinschaft wird seit geraumer Zeit von einem Toaster terrorisiert. Das ist kein Spaß. Als mein Mitbewohner, der gerne auf einschlägigen Verschenke-Telegram-Kanälen unterwegs ist, den Toaster anschleppte, ahnten wir nichts Böses. Voll funktionsfähig, schwarz-gelbes Design, einschlägiges Logo, richtig: ein offiziell lizensierter Borussia-Dortmund-Toaster. Sie ahnen es: Der Toaster brennt das Logo des – von meinem Mitbewohner heiß geliebten – BVB ins Brot. Das ist jedoch noch nicht alles. Der Toaster informiert über das fertige Toast, indem lautstark eine Hymne ertönt, die einen aus dem komatösesten Schlaf reißen kann. Also muss jemand neben dem Gerät stehen, um ihm möglichst schnell den Stecker zu ziehen. Es fehlt der richtige Schraubenzieher, um sich das Innere des Geräts überhaupt mal anzusehen, geschweige denn ihn zum Schweigen zu bringen.
Also sah ich meine Chance gekommen, als ich kürzlich von einem Reparaturcafé im Leipziger Osten hörte. Bisher war mir nur das Café Kaputt auf der Merseburger Straße bekannt und den Triumph, ihn durch die ganze Stadt zu fahren, wollte ich dem Toaster nun wirklich nicht gönnen. Zum Glück gibt es seit November 2021 auf der Wurzner Straße eine neue Nachhaltigkeitsoffensive: Die Jungs und Mädels vom gemeinnützigen Verein Kulturwerkstatt Ost haben das Reparaturcafé Werk-statt-Tonne ins Leben gerufen. Ziel ist laut Flyer, einen Raum zu schaffen, in dem die »Reparatur eine Alternative zum Kauf ist«. Als Räumlichkeiten nutzt der Verein die »Fuge«, eine vorher leerstehende Ladenfläche, die vom Verein 2020 zum Treffpunkt ausgebaut wurde. Jeden Donnerstag zwischen 16.30 und 20 Uhr kann man mit reparaturbedürftigen Gegenständen vorbeikommen.
Kein geschlossener Laden, sondern Werkstatt mit Stuck
Von außen ist die »Fuge« unscheinbar. Sie sieht einem geschlossenen Laden zum Verwechseln ähnlich, lediglich eine handbemalte Tafel weist auf das heute stattfindende Reparaturcafé hin. Mit dem Toaster bewaffnet, trete ich ein und bin überrascht: Der weitläufige Raum ist einladend eingerichtet. In den Ecken und auf dem Tisch stehen Pflanzen, die freigelegte Backsteinwand und vor allem der freigelegte Stuck haben Charme. Durch die Fenster fällt viel Licht, irgendwoher kommt Musik. Jemand werkelt an einem Zentrierständer herum, dem Schrecken aller Achten im Rad. Es gibt eine große Sammlung von Werkzeugkästen sowie diverse Bohrer und Sägen.
Ich lerne Rebecca, Amadeus und Gründungsmitglied Luis kennen, die mich sofort zu einer Limo aus der hauseigenen Bar einladen. Wir setzen uns an einen Tisch, auf dem eine Nähmaschine und eine farblich sortierte Sammlung an Fäden stehen. Der Verein entstand aus der Idee, die leere Fläche unter den befreundeten WGs im Haus sinnvoll zu nutzen und der Allgemeinheit durch verschiedene kulturelle Angebote zur Verfügung zu stellen.
Das Reparaturcafé habe eine pragmatische Dimension, erzählt Rebecca, denn wer wie sie viel Rad fahre, habe auch viel zu reparieren. Die WGs über der »Fuge« sind durch ihre Erfahrungen im Wohnungsausbau mit Werkzeug ausgestattet – sich in dem gemeinsamen Raum zum Basteln zusammenzutun, lag also nahe. Außerdem ließ man sich vom Café Kaputt inspirieren. Generell ist dem Verein die Nachhaltigkeit ein wichtiges Anliegen. »Im Unterschied zur Generation unserer Großeltern geht in unserer das Gefühl verloren, zu sagen: Hey, ich reparier das«, meint Luis.
Hilfe zur Selbsthilfe
Wer handwerkliche Skills in irgendeiner Form hat, kann sich einbringen und andere beim Reparieren unterstützen: Hilfe zur Selbsthilfe. Von Fahrrädern über Handys bis zu kaputten Jeans versucht man, den Dingen ein zweites Leben zu geben. Amadeus sieht die Werk-statt-Tonne auch als Chance, die Menschen beim Initiieren einer Reparatur zu unterstützen: »Es gehört schon viel Mut dazu, so was anzupacken, die Selbstwirksamkeit ist nicht bei allen Leuten so hoch, besonders wenn man das Werkzeug nicht hat.«
Das passende Werkzeug für meinen Toaster haben die drei natürlich parat. Etwas ungläubig lauschen alle Beteiligten einem letzten Erklingen der monophonen Melodie. Anschließend wird das Gerät seziert. Man reicht mir einen Schraubenzieher mit exotischem Aufsatz und ich löse die Schrauben. Dann darf ich unter kompetenter Beratung die schwarz-gelbe Plastikhaube anheben. Es folgt ein kurzer »Die-Hard-Moment«: rotes Kabel oder schwarzes Kabel durchtrennen? Schließlich entdeckt Amadeus einen Stecker, der ausschließlich für den nervtötenden Sound zuständig ist, er wird gezogen.
Das bearbeitete Gerät besteht die Feuerprobe: Die Feder springt, der Lautsprecher schweigt. Zufrieden packe ich den Toaster ein und bedanke mich für die Limo. Man bietet mir an, den Eingriff wieder rückgängig zu machen, falls ich die Hymne doch irgendwann vermisse. Ich lehne höflich, aber bestimmt ab.
■ Werk-statt-Tonne, in der »Fuge«, Wurzner Str. 20, 04315 Leipzig, Do 16.30–20 Uhr, www.kulturwerkstatt
Fotos: Christiane Gundlach