Liberec. Noch gibt es keine Weltkulturerbe-Stätte im nordböhmischen Liberec. Doch die Stadt mit reichlich 100.000 Einwohnern hofft, irgendwann ihr Wahrzeichen auf diese Liste setzen zu können – den Fernsehturm auf dem Hausberg Jeschken. Das hundert Meter hohe Bauwerk wurde zwischen 1963 und 1973 nach einem Entwurf des Architekten Karel Hubáček errichtet. Es sieht aus wie ein Trichter mit der Öffnung nach unten. Der futuristisch anmutende Turm ist bei gutem Wetter bis weit nach Sachsen und Polen hinein zu sehen, untergebracht sind dort ein Hotel und eine Gaststätte. Nach einem Unfall Ende 2021 ist allerdings die Seilbahn zum Berg hinauf außer Betrieb. Er ist aber per Auto, mit einer Gondel, per Rad, zu Fuß und mitunter auch per Bus erreichbar. Bei ausreichend Kälte wartet hier das Skigebiet Jested mit mehreren Abfahrtspisten. Apropos erreichbar: Vom Leipziger Hauptbahnhof aus fährt man je nach Verbindung drei bis viereinhalb Stunden nach Liberec. Das Euro-Neiße-Ticket gilt in der Oberlausitz, Böhmen und Teilen Polens. Mit dem Auto gelangt man am besten über Zittau nach Liberec.
Liberec, früher Reichenberg, die fünftgrößte Stadt Tschechiens, gilt vielen im Gegensatz zu Prag, Pilsen oder Brünn als Geheimtipp. Zu bieten hat sie unter anderem den 14 Hektar großen Zoo, einen Botanischen Garten, den Marktplatz samt Neorenaissance-Rathaus, das Erlebnisbad, Freizeit- und Wellnesszentrum Babylon, die Garten-Wohnsiedlung Liebieg und zahlreiche Museen. Seit 2014 gehört auch das IQ-Landia zu den Attraktionen: Dort gibt es zehn Ausstellungen zu wissenschaftlichen Themen. Wobei Ausstellung das falsche Wort ist: Besucher können hier experimentieren, anfassen, ausprobieren, mit einem Roboter sprechen und vieles mehr. Fast alles ist auch auf Deutsch machbar. Im Einkaufszentrum Plaza erlaubt ein Dinopark auf drei Etagen mit Modellen von Urzeit-Lebewesen Einblicke in die Erdgeschichte. Im einstigen Stadtbad von Liberec hat 2014 die Regionalgalerie Oblastní Platz gefunden. Sie gehört zu den fünf größten des Landes und verfügt über eine Sammlung tschechischer, deutscher, französischer, niederländischer und weiterer europäischer Künstlerinnen und Künstler. Sonderausstellungen widmen sich außerdem der gegenwärtigen Kunstszene.
Natürlich gibt es im Geburtsort von Ferdinand Porsche, im zu Liberec gehörenden Vratislavice nad Nisou (Maffersdorf), ein Porschemuseum. Eingerichtet wurde es im Geburtshaus des späteren Fahrzeugkonstrukteurs, in der Straße Tanvaldská 38. Schwerpunkt sind die Familiengeschichte und technische Entwicklungen. Wer hingegen viele Fahrzeuge verschiedener Marken im Original sehen möchte, ist besser aufgehoben im Technischen Museum der Stadt. Dort werden Autos, Motorräder, Fahrräder, aber auch Straßen- und Eisenbahnen präsentiert. Zudem spielt die Textilgeschichte der Stadt eine Rolle. Die wurde einst wesentlich geprägt von der erwähnten Unternehmerfamilie Liebieg. Gegründet 1822, wurde die Weberei der Brüder Franz und Johann Liebieg zu einer der bedeutendsten in Europa. Ihre Produkte wurden bis nach Süd- und Mittelamerika geliefert.
Einen guten Überblick über die Stadt mit Wurzeln im 14. Jahrhundert bekommt man, wenn man die 155 Stufen des 32 Meter hohen Aussichtsturms (tägl. 9–16 Uhr geöffnet) des Kulturzentrums Lidové Sady in der gleichnamigen Straße nimmt. Im Sommer gibt es in der Stadt, vor allem auf dem zentralen Marktplatz, zahlreiche Konzerte, Sport- und Kleinkunstveranstaltungen. Im August findet traditionell ein Drehorgelfestival statt. Seit ein paar Jahren mausert sich der kleine Adventsmarkt vorm Rathaus zu einer großen Veranstaltung. Und im November steht ein echtes Kulturgut der Region im Mittelpunkt – das Glas. Hütten, Glaskünstler, Ateliers, Werkstätten und Glasmacherschulen öffnen dann ihre Türen.
>> Mehr Infos unter www.visitliberec.eu/de
>> Das Euro-Neiße-Ticket gibt es hier
Titelfoto: Jan Jirous.