Weil sie besonders versiegelt und bebaut sind, sind Städte von den Folgen des Klimawandels mehr betroffen als ländliche Regionen. Eine Strategie zur Anpassung an den Klimawandel der Stadt wurde in Leipzig bisher nur teilweise umgesetzt.
Besonders dichtbebaute Viertel und Gewerbegebiete sind in Leipzig aufgeheizt. Stark versiegelte und wenig beschattete Straßen oder Plätze werden zur Hitzefalle, die dichte Bebauung, der hohe Energieverbrauch und CO2-Ausstoß sorgen zusammen für den Effekt der »Städtischen Wärmeinsel«. Weil sie wärmer und trockener als ihre Umgebung sind, sind Städte besonders vom Klimawandel betroffen. Ein Blick auf die Klimaanalyse-Karte der Stadt zeigt: Besonders in den Gassen der Innenstadt ist es an einem Sommertag kaum auszuhalten.
Um sich auf die Herausforderungen des Klimawandels vorzubereiten, hat die Stadt Leipzig bereits im Jahr 2016 ein Maßnahmenpaket verabschiedet, mit dem sperrigen Namen »Klimawandelanpassungsstrategien«. Die Maßnahmen sind durchaus sinnvoll, sagt Christiane Heinichen vom Leipziger Umweltbund Ökolöwe, es mangele aber an der Umsetzung: »Bei der Stadt Leipzig werden immer sehr viele Ressourcen investiert, um Konzepte zu erstellen, die aber nicht umgesetzt werden. Sei es, weil sie finanziell nicht umgesetzt sind oder weil gar keine Strukturen zur Bearbeitung und für Personal eingeplant sind.« Es gebe auch keine Evaluation der Strategie. Erst in einem neuen Programm zur Anpassung an den Klimawandel sollen Ziele definiert werden, die dann auch überprüft und präzisiert werden können. Stadtrat Tobias Peter von den Grünen sagte: »Das Problem liegt in der konsequenten, kompletten Umsetzung.«
Im Bereich der Stadtplanung und dem Städtebau wurden laut der Stadt Leipzig einige Maßnahmen ergriffen. Antworten auf Fragen des kreuzer kamen vom Amt für Umweltschutz, dem Stadtplanungsamt und dem Amt für Gebäudemanagement. So wurden klimatische Aspekte in der Planung und bei städtebaulichen Wettbewerben im Raum Bayerischer Bahnhof berücksichtigt. In der Neugestaltung des Eutritzscher Freiladebahnhofs wird ein klimawandelangepasstes Regenwassermanagement berücksichtigt, etwa durch Regenwasserversickerung und -speicherung, Dachbegrünung und Fließgewässerrenaturierung. Bei Neubauten und Sanierungen zum Beispiel von Schulen wurden laut der Stadt Maßnahmen zur Verschattung und Schutz vor Überflutung geprüft.
Außerdem bemüht sich Leipzig »Schwammstadt« zu werden. Regenwasser soll dabei gespeichert und nicht allein in die Kanalisation geleitet werden. Dazu werde etwa bei der Rietzschker Aue Retentionsraum geschaffen, der bei Hochwasser überschwemmt werden kann. Auch eine Förderung der Dachbegrünung mit jährlich 500.000 Euro dient der zukünftigen Schwammstadt. Das Gemeinschaftsprojekt »Kletterfix – Grüne Wände für Leipzig« vom Ökolöwen und dem Amt für Stadtgrün und Gewässer wird im Programm zur Fassaden- und Hofbegrünung mit nun 50 000 Euro von der Stadt Leipzig gefördert.
Selbst etwas zur Klimawandelanpassung beizutragen geht am besten, wenn man Hausbesitzerin oder Hausbesitzer ist. Man kann Flächen entsiegeln, wie etwa den Hinterhof, oder Grün schaffen, zum Beispiel durch ein Gründach oder Fassadenbegrünung. Für letzteres unterstützt die Stadt bei der Umsetzung. Als Mieterin ist das schon schwieriger, weil man das Einverständnis der Eigentümerinnen braucht. »Und die ist bisweilen nicht so einfach zu bekommen«, sagt Heinichen, die beim Ökolöwen für das Projekt Kletterfix zuständig ist. Der Ökolöwe kann Menschen mit einer Beratung oder auch mit Argumentationshilfen unterstützen. Wichtig ist aber laut Ökolöwe, dass nicht nur punktuell etwas passiert, sondern systemisch.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert ebenfalls eine bessere Bündelung und Umsetzung der städtischen Maßnahmen und hat dafür im Stadtrat verschiedene Anträge zum Thema Klimawandelanpassung gestellt. So schlagen die Grünen vor, »coole Straßen« nach dem Vorbild von Wien in Wohngebieten zu planen und so zu mehr Aufenthaltsqualität beizutragen. Laut Peter wird der Antrag gerade von der Verwaltung bewertet. Dabei soll es mehr Platz für Bäume geben, helleren Asphalt, kleinere Parkflächen, mehr Schatten- und Wasserelemente. Ein Antrag zur Netto-Null-Versiegelung wurde im September beschlossen. Es darf demnach nicht mehr Fläche versiegelt werden, als entsiegelt wird.
Die Herausforderung in Leipzig ist, dass die Stadt stark wächst und so neue Flächen überbaut werden, und Grünflächen schwinden. »Also muss man wenigstens versuchen, den Grünschwund irgendwo am Gebäude aufzufangen«, sagt Heinichen. »Da ist auch die Stadt Leipzig mit ihren vielen Liegenschaften gefordert, mit gutem Beispiel voranzugehen und Bestandsgebäude und alle neugebauten Schulen, Kitas und Turnhallen zu begrünen.« Bei Gründächern passiere das ein bisschen besser, aber kaum bei Fassadenbegrünung. Laut des Amtes für Gebäudemanagement sind bei rund 50 städtischen Gebäuden die Dächer begrünt. Zu begrünten Fassaden machte die Stadt keine Angaben.
Fassadenbegrünung wirkt kühlend für einzelne Häuser, aber auch ganze Städte. »Die Betonfassaden werden mit einem grünen Mantel verdeckt. Das führt dazu, dass die Fassaden sich nicht so aufheizen«, sagt Heinichen. Die Temperaturunterschiede zwischen einer sonnenbeschienenen und einer begrünten Fassade betragen zwischen 10 und 20 Grad. Innenräume können bis zu drei Grad kühler sein.
Gründächer haben vor allem eine wichtige Funktion bei starkem Regen, erklärt Heinichen: »Bei Starkregenereignissen saugt sich ein Gründach wie ein Schwamm mit Wasser auf. Nach einer gewissen Zeit kann es das Wasser abgeben und damit zur Kühlung beitragen.« Gründächer halten also Wasser zurück und beugen Überschwemmungen vor.
Neben mit Niederschlagwasser bewässertem Stadtgrün haben auch Frischluftschneisen eine wichtige Anpassungsfunktion an den Klimawandel. Auf freigehaltenen, unbebauten Flächen kann Luft zirkulieren und die Stadt nachts durchlüftet werden. Tropennächte etwa entstehen, wenn die Hitze sich staut und es zu wenig Durchlüftung gibt. Deshalb sollten die Schneisen beim Neubau immer berücksichtigt werden, was in der Vergangenheit nicht immer passierte, sagt Heinichen. »Es ist wichtig, dass wenn ein Investor kommt und viel Geld bietet, gesagt wird: Das ist unsere Frischluftschneise und hier kann kein Haus stehen.« Auch Baumkronen könnten Frischluftschneisen versperren. Mittels Entsiegelungen könne Niederschlagswasser in der Stadt gehalten und genutzt werden. Indem man in die Höhe baut, können weniger neue Flächen versiegelt werden.
Grafik: Julia Kluge