Thomas Stuber und Clemens Meyer haben wieder gemeinsam gedreht und mit »Die stillen Trabanten« eine Leipzig-Ballade geschrieben. Der Film feiert Premiere am Dienstag, den 29. November in den Passage-Kinos.
Wenn alle Reisenden am Ziel sind, reinigt Christa die Züge. In der Tiefe der Nacht trifft sie in einer Bahnhofskneipe auf die Friseurin Birgitt. Sie trinken zusammen, sind gemeinsam einsam und verlieben sich. – Der Wachmann Erik begegnet bei einem seiner nächtlichen Rundgänge in einem Heim für Geflüchtete der Ukrainerin Marika, die ihm fortan nicht mehr aus dem Kopf geht. – Jens und Mario haben mal davon geträumt, einen eigenen Imbiss zu eröffnen, doch jetzt ist nur noch Jens da. Abend für Abend steht er allein am Treppenhausfenster des Mietblocks und raucht – bis ihm Aischa begegnet, deren Gesicht Spuren einer gewalttätigen Beziehung trägt.
Es sind leise Begegnungen am Rande der Stadt, die abseits der Großstadtlichter die Schwere des Alltags für einen Moment vergessen lassen. Nacht für Nacht kehren die Unscheinbaren an die Orte ihrer Sehnsucht zurück. Nachtgestalten, die ähnlich wie in Andreas Dresens gleichnamigem Episodenfilm haltlos durch das Dunkel treiben. Entsprungen sind sie der Kurzgeschichtensammlung »Die stillen Trabanten« von Clemens Meyer, für die Leinwand erzählt mit Thomas Stuber. »Als ich überlegte, welche Geschichten ich erzählen möchte, bin ich bei Clemens fündig geworden«, erklärt Stuber. »Da schrieb jemand über vermeintlich kleine Leute, Außenseiter und deren Schicksale, die alles andere als unbedeutend sind. Sie sind groß und relevant. Es fängt beim Kirschkern an, der einen besonderen Aufhänger bildet, ohne dass daraus eine große Hollywood-Geschichte entstehen muss. Diese Kleinigkeiten auf der Leinwand wiederzugeben, ist gut. Auf dieser Ebene haben wir uns gemeinsam in der filmischen Umsetzung gefunden.«
Wie schon bei »Herbert« und »In den Gängen« arbeiteten Stuber und Meyer gemeinsam am Drehbuch. Sie verknüpften drei der Geschichten lose miteinander und fanden dabei einen ganz eigenen Rhythmus, der dem sprachlichen Takt der Geschichten von Meyer ähnelt, aber filmisch erzählt. »Ich wollte die Dinge so darstellen, wie sie aussehen. Und eine Bahnhofsdusche oder -toilette sieht eben so aus, wie sie aussieht«, sagt Stuber. »Die Herausforderung des Zuschauers ist an dieser Stelle, dass er auch bei unangenehmen Momenten hinsehen und mitfühlen muss. Er wird zweifelsfrei einer ungewöhnlichen Situation ausgesetzt. Umso größer wirken diese kleinen schönen Augenblicke, in denen das Glück die Oberhand gewinnt, und versprühen eine größere Freude.«
Besetzt ist »Die stillen Trabanten« mit einem außergewöhnlichen Ensemble. »Es ist ein schauspielgetragener Film, der einfach mit besonderen nationalen, aber auch internationalen Schauspielern besetzt ist«, erklärt Stuber. »Es war toll, dass Nastassja Kinski und Martina Gedeck die Geschichte in der Bahnhofskneipe spielen. Zwei großartige Schauspielerinnen in diesem Setting zu installieren und dort agieren zu lassen, verleiht dem Film eine besondere Note. Albrecht Schuch als Imbissbesitzer fand ich wiederum passend, da er ein wandlungsfähiger Schauspieler ist und verschiedene Facetten an seiner Figur aufdeckt. Er bringt diese Glaubwürdigkeit mit, die es für diesen Charakter benötigt.« Er trifft im Plattenbau auf Lilith Stangenberg, die als Borderlinerin ihren Ausweg aus einer existenziellen Verzweiflung findet. »Sie hat sich dieser Rolle so angenommen, die sie mit Haut und Haar ausfüllt«, sagt Stuber. »Aber auch die anderen Darsteller wie Charly Hübner, Peter Kurth, Irina Starshenbaum oder Andreas Döhler sind fantastisch.«
Mehr noch als seine vorherigen Arbeiten ist »Die stillen Trabanten« ein Leipzig-Film. Das liegt nicht nur am Hauptbahnhof als markantem Drehort. Auch die Vorstadt, die Plattenbauten, das dunkle Blau der Nacht wird wiedererkennen, wer die Stadt kennt. Die dritte Zusammenarbeit zwischen Autor und Regisseur erzählt von den Rändern der Boomtown, den Randgestalten, die straucheln, sich aufraffen und einfach weitermachen. Die Melancholie der frühen Morgenstunden, wenn man die Trabanten am Horizont erkennt – all das fängt Stuber in seinen Szenen atmosphärisch ein. Der Prolog, den er mit Meyer verfasste, in dem ein junges Flüchtlingsmädchen am Rande der Autobahn stirbt, wirkt nicht aufgesetzt, sondern fügt sich in die Erzählung. Mit einer hervorragenden Besetzung, den ausdrucksstarken Bildern von Peter Matjasko (»In den Gängen«) und der Musik von Kat Frankie entstand eine Großstadtballade, deren Takt noch lange nachhallt.
Ab 1. Dezember in den Passage-Kinos.
Foto: Warner Bros Entertainment GmbH