Der Leipziger Journalist Marco Brás dos Santos hat 2019 für den kreuzer über die Besetzung eines Baggers im Tagebau Schleenhain bei Leipzig berichtet. Heute wurde Brás dos Santos in diesem Zusammenhang wegen Hausfriedensbruchs verurteilt. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union kritisiert das Urteil.
Es ist das sächsische Pressefotos des Jahres 2019: Tausende Menschen in weißen Schutzanzügen laufen geschlossen durch die braune Landschaft. Ein Braunkohle-Bagger türmt sich im Hintergrund auf. Auch vor Ort: der Journalist Marco Brás dos Santos. Für den kreuzer dokumentierte er die Proteste im Tagebau Vereinigtes Schleenhain an diesem Tag im November 2019.
Trotz Versammlungsverbot zogen mehr als 1.000 Kohlegegner und -gegnerinnen durch das Leipziger Land bis in den Tagebau »Vereinigtes Schleenhain«. Das Klimabündnis »Ende Gelände« hatte dazu aufgerufen, um für einen sofortigen Kohleausstieg zu protestieren. Daraufhin zeigte die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft (MIBRAG) neben Aktivistinnen des Bündnisses auch Journalisten und Landtagsabgeordnete wegen Hausfriedensbruchs an.
Das Amtsgericht Borna fällte heute das Urteil und verurteile Brás dos Santos zu zehn Tagessätzen à 15 Euro. Der Journalist äußert sich in einer Pressemeldung von »Ende Gelände« dazu: »Dass Medienschaffende von Energiekonzernen wie der MIBRAG mit Klagen überzogen werden können, zeugt von einem antidemokratischen Verständnis. Es ist der Sinn von Journalismus, im öffentlichen Interesse von wichtigen Ereignissen zu berichten. Genau das sind die Aktionen von Ende Gelände.«
Im November fand bereits die Verhandlung für den Journalisten Dirk Knofe statt. Er war im Auftrag der Leipziger Volkszeitung ebenfalls bei den Protesten zugegen. Knofe entschied sich dazu, das Verfahren gegen eine Geldstrafe von 300 Euro an den Naturschutzbund einzustellen. Auch Tim Wagner, der als Fotograf vor Ort gewesen war und später den Preis »Sächsisches Pressefoto des Jahres 2019« für ebenjenes Bild der Proteste gewonnen hatte, war angezeigt worden und hatte bereits 2020 einer Einstellung des Verfahrens gegen Geldzahlung zugestimmt.
Jörg Reichel, Geschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union kritisiert die MIBRAG ebenfalls scharf: »Die MIBRAG kann sich nicht dem gesellschaftlichen Dialog entziehen, indem sie die Berichterstatter*innen über die Umweltproteste kriminalisiert. Ein Ja zum demokratischen Dialog heißt auch, die Pressefreiheit dort hinzunehmen, wo sie den Finger in die Wunde legt.«
Das Urteil erkennt Brás dos Santos nicht an: »Natürlich werden wir es nicht akzeptieren, dass ein Kohlekonzern die Pressefreiheit einschränkt«, sagt er dem kreuzer. »Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass die nächsthöheren Gerichtsinstanzen in Sachsen zu einem anderen Urteil kommen würden. Den Kampf um die Pressefreiheit gilt es in Karlsruhe oder Straßburg zu führen«, sagt er.
Titelfoto: Proteste gegen Braunkohleabbau. Copyright: Tim Wagner.