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Stadtleben

Ein warmes Bett für jeden

Spezielle Hilfsangebote unterstützen wohnungslose Menschen in den Wintermonaten

  Ein warmes Bett für jeden | Spezielle Hilfsangebote unterstützen wohnungslose Menschen in den Wintermonaten

Menschen ohne Obdach sind Tag und Nacht dem Wetter ausgesetzt. Laut statistischem Bundesamt betrifft das etwa 1600 Menschen in Sachsen. Bei besonders extremen Temperaturen kann es für sie lebensbedrohlich werden und sind auf externe Hilfe angewiesen. In Leipzig gibt es deshalb ein spezielles Winterhilfsprogramm.

Minus acht Grad zeigte das Thermometer diesen Dezember bereits – lebensbedrohliche Temperaturen für Menschen, die auf der Straße leben. Für sie stellt das Sozialamt der Stadt Leipzig jedes Jahr ein Winterprogramm auf, das Schlafplätze und warme Aufenthaltsorte beinhaltet.
Täglich stehen für Obdachlose in Leipzig 243 Plätze in vier verschiedenen Einrichtungen zur Verfügung. Zwei der Einrichtungen sind für die Notunterbringung wohnungsloser drogenabhängiger Personen ausgerichtet; ergänzt werden sie von einem Übernachtungshaus für Männer, einem für Frauen und sogenannten Gewährleistungswohnungen. Rund 240 Personen würden pro Tag in diesen Gemeinschaftsunterkünften unterkommen, berichtet Tom Hübner dem kreuzer. Der Abteilungsleiter für Soziale Wohnhilfen im Sozialamt stellt einen starken Bedarf an den Übernachtungsmöglichkeiten für Wohnungslose fest.

Tagsüber besteht für Wohnungslose die Möglichkeit, die Ökumenische Kontaktstube »Leipziger Oase« in der Nürnberger Straße oder den Tagestreff für Wohnungslose, genannt »Insel«, in der Plautstraße aufzusuchen. Abends ist in Leipzig der Hilfebus unterwegs, dreimal die Woche steht er zudem an festen Standorten und bietet warme Getränke, Lebensmittel, Bekleidung, Schuhe und Schlafsäcke an und vermittelt an Notunterkünfte. Wer dieses Angebot nicht annehmen möchte, erhält bei Bedarf einen Schlafsack und einen Notfallrucksack mit einem einfachen Regenschutz, Zahnbürste und Zahnpasta, einem Duschbad, einer Taschenlampe und einem Feuerzeug. Hübner kann sich verschiedene Gründe vorstellen, warum Menschen dieses Paket der Unterkunft vorziehen: »Bei uns gibt es eine Hausordnung in den Einrichtungen. Eine Thematik ist, dass man in der Einrichtung nicht rauchen, sowie keinen Alkohol und keine Drogen konsumieren darf. Wir haben überwiegend Mehrbettzimmer und jemand möchte vielleicht lieber seine Ruhe haben und nicht mit Fremden in einem Zimmer schlafen.«
Außerdem kostet eine Übernachtung in der Notunterkunft eigentlich Geld. Erst nach der letzten Stadtratssitzung wurde dies geändert: Dank der Petition einer Leipzigerin wurden kostenlose Notschlafstellen beschlossen, befristet bis Ende März 2023. Die bisherige Gebühr für eine Übernachtung habe für einige der wohnungslosen Menschen eine unüberwindbare Hürde dargestellt, so Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft. Es sei nun wichtig, den Beschluss an die Einrichtungen zu kommunizieren und zusätzlichen Kälteschutz zu schaffen, zum Beispiel am Hauptbahnhof.

Falls man eine obdachlose Peron antrifft, rät Tom Hübner vom Sozialamt dazu, das Gespräch zu suchen: »Da ist unser Credo immer erstmal, die Person anzusprechen und eine gewisse Distanz zu lassen. Man weiß auch nicht, was den Menschen gerade umtreibt und bewegt. Dann kann man fragen, ob sie Hilfe braucht. Wenn die Person das ablehnt und klar orientiert ist, muss man es dabei auch bewenden lassen. Die Personen können natürlich für sich selbst entscheiden, was sie denn möchten. Wenn man eine obdachlose Person auffindet, die aufgrund von Witterungseinflüssen oder unter Drogeneinfluss nicht mehr in der Lage ist, frei zu entscheiden, was sie tut, dann sollte man zwingend den Rettungsdienst hinzuziehen.«
Wer sich engagieren wolle, könne sich beim Sozialamt melden, welches zu den freien Trägern vermittelt. Diese seien immer auf der Suche nach Unterstützung und würden sich über Spenden freuen. Das Winterprogramm endet Ende März, doch auch im Sommer sind laut Hübner Streetworkerinnen und Streetworker bemüht, wohnungslose Menschen zu unterstützen. Zudem würden die Übernachtungsmöglichkeiten das ganze Jahr über bestehen: »Ein Platz in einer Notunterbringung ist auch ein Rechtsanspruch. Wenn ich obdachlos bin, muss die Stadt Leipzig Plätze vorhalten und schaffen und das ganzjährig.«

Zwar schützen Notschlafstellen vor dem Wetter, doch stellen sie oft keine Rückzugsorte oder Schutzräume für FLINTA*-Personen (Frauen, Lesben, Intersexuelle, Nichtbinäre, Trans und Agender Personen) dar. Mitarbeitende sozialer Organisationen wurden auf dieses Problem aufmerksam und schufen eine Lösung: »Rosas*Treff«.
»Es ist wichtig ein Angebot zu organisieren, welches sich speziell an Frauen und Tin*-Personen (Trans-, Inter- und nichtbinäre Personen) richtet, da vor allem obdach- und wohnungslose Flinta* kaum Räume haben, die nur für sie zugänglich sind«, erklärt die Streetworkerin Helen Matzke. Sie seien öfter von Gewalt betroffen, da für sie keine Rückzugsräume und sogenannte »Savespaces« (Schutzräume) bestehen würden. Man erhoffe sich durch das Angebot ein klareres Bild der spezifischen Bedarfe von Flinta* in prekären Lebensumständen zu erhalten, »um langfristig die Versorgungslage dieser Personengruppe in Leipzig zu verbessern«. Vergleichbare Angebote gebe es in Leipzig derzeit noch nicht, sagt Matzke.

Das Angebot, gedacht als »Austauschraum«, umfasst Grundversorgung (Essen und Getränke), Zugang zu Hygienemitteln, Safer-Use und Safer-Sex Produkten, Kleidung und Informationsmaterialien. Beratungs- und Vermittlungsangebote würden ebenfalls gestellt, erklärt das Team von Rosas*Treff in ihrem Konzept. Ziel sei es, neben der Versorgung und Beratung, die Teilnehmenden untereinander zu vernetzen und eine Atmosphäre zu erzeugen, in der FLINTA* unter sich sein können. »Wie genau sich die Grundversorgung langfristig ausgestaltet wird, richtet sich allerdings nach den Bedarfen der Klient*innen und wird sich mit der Zeit erst konkret zeigen«, sagt Matzke. Das Angebot wird von mehreren Mitarbeitenden der Projekte »Safe Straßensozialarbeit für Erwachsene«, »Streetwork Diakonie« und der »Bahnhofsmission« gemeinschaftlich gestaltet. Über Geld- und Sachspenden freue man sich immer, es wird jedoch um eine vorherige Anmeldung per E-Mail gebeten. Rosas*Treff soll alle zwei Wochen von circa 17-20 Uhr in dem Aufenthaltsraum der Bahnhofsmission stattfinden.


Titelfoto: Symbolbild. Josemdeela/Pixabay.


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