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Kultur

Bestandsaufnahme Rechts

Simon Brückner hat die AfD zwei Jahre lang begleitet – sein Dokumentarfilm ist ein entlarvender Blick auf die Strukturen der Partei

  Bestandsaufnahme Rechts | Simon Brückner hat die AfD zwei Jahre lang begleitet – sein Dokumentarfilm ist ein entlarvender Blick auf die Strukturen der Partei

Ein Parteifunktionär blickt unsicher über die Schulter in die Kamera: »Ist das beabsichtigt, das alles aufzeichnen zu lassen?« Ein anderer beruhigt: »Wenn das in 22/23 erscheint, dann haben wir da ein großes Problem weniger und die Sachen sind, wie sie sind. Wenn das morgen im Spiegel stehen würde und die Sozialdemokraten spitzkriegen, wie wir dastehen, wäre das was anderes.«  
Zwei Jahre lang begleitete Simon Brückner die AfD-Basis mit der Kamera. Ab 2019 war er bei Bundestagsdebatten ebenso wie bei kommunalen Sitzungen in Brandenburg und Sachsen, begleitete den »Flügel« ebenso wie die »Junge Alternative« als stiller Beobachter. Über 500 Stunden Material drehte er, und das alles mit Zustimmung der Parteifunktionäre. »Es war immer klar: Die Partei wird kein Mitspracherecht beim Schnitt des Films haben. Insofern gab es natürlich auch viel Misstrauen«, sagt Brückner. »Es hat viel Zeit gebraucht, Überredungskunst, Einsatz und Gewöhnung, um da reinzukommen.« So hat er sich über Monate hinweg das Vertrauen der Politiker und Politikerinnen erarbeitet. 


Für ihn sollte der Film ein Forschungsprojekt darstellen. »Die AfD hat mich, wie die meisten anderen ja auch, sehr beschäftigt. Es ist ja eine Partei, die erstmals rechts von der CDU in der Breite erfolgreich war, in alle Landtage kam, in den deutschen Bundestag einzog und die dann auch relativ schnell durch ihre radikalen Anteile bedrohlich wurde. Eine populistische Protestgruppe, die ganz unterschiedliche Wählergruppen abholt und auch bis in die bürgerliche Mitte hineingreift. Und die unsere progressive Entwicklung, die seit 1968 vorherrscht, eventuell stoppt«, erklärt Brückner. »Auf der anderen Seite war da relativ früh eine neue, extreme Rechte, die versuchte, dieses Potenzial in irgendeiner Weise zu bewirtschaften und ein Revival hinzukriegen.« Brückner wollte als Dokumentarist einen Beitrag zum Verstehen dieser Entwicklung leisten, durch eine Beobachtung im Inneren: »Ich wollte zeigen, was hinter den Kulissen passiert, in den Sitzungen, in den Rückzugsräumen. Es war natürlich fraglich, ob ich da reinkomme. Aber ich dachte mir, es könnte hilfreich sein, um zu verstehen, wie diese Partei funktioniert.« 
Brückners Aufnahmen zeigen eine zerrissene Partei voller Individualisten, die keine klare Linie zu verfolgen scheint. Das zeigt sich im Film etwa bei der Diskussion über die fehlende Parteilinie im Umgang mit der Pandemie, die 2020 über die Dreharbeiten hereinbrach. Während ein Teil mit den Querdenkern sympathisierte, forderten andere eine umfassende Maskenpflicht. 
Brückner war im Juli 2021 dabei, als die »Junge Alternative« versuchte, im Ahrtal kurz nach dem Hochwasser Stimmen zu sammeln, aber auch, als die Bundestagsfraktion zur gleichen Zeit über den Antrag debattierte, dass in jeder Schulklasse Deutschlandflagge und Grundgesetz vorhanden sein sollten. Einzelne Partei-Mitglieder sprachen sich dagegen aus, weil sie Zweifel hegten, ob die Ziele der Partei auch wirklich mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Schließlich entschied die Runde, die zu erwartende Empörung der anderen Parteien zu eigenen Gunsten zu nutzen. »Da kann unsere Medienabteilung wunderbar was draus machen«, springt ein Parteifunktionär begeistert an: »Alle Parteien sind gegen das Grundgesetz, gegen die Deutschlandfahne. Deutschland wurde abgeschrieben, die sind nur noch für Europa da oder für die EU.« Die Abgeordneten beschlossen den »Schaufensterantrag« – ein Lockmittel, um die anderen Parteien vorzuführen. 
Brückner kommentiert das alles nicht, er bildet es nur ab – und entlarvt so die Strukturen der Partei, ihre Ausrichtung und Denkweise. Eine bewusste Entscheidung, die dem Zuschauer die eigene Interpretation überlässt. »Die AfD ist«, so Brückner, »ganz klar eine Rechtsaußen-Partei, die in mehreren Radikalisierungsschritten mit einem liberaldemokratischen Konsens unserer Gesellschaft gebrochen hat. Die Xenophobie, die Islamfeindlichkeit – da sind so viele rote Linien überschritten worden. Da kommt mein Film leider nicht zu einem wirklich anderen Ergebnis. Er gibt aber vielleicht Einblick in andere, tiefere, vielleicht internere Schichten.« 
Nach zwei Jahren, im Herbst 2021, endet die filmische Beobachtung. Brückner zieht ein ernüchterndes Fazit. Auch wenn Björn Höcke nicht direkt nach der Macht greift und den Parteivorsitz übernimmt, ist die AfD eine Höcke-Partei, zumal viele der gemäßigteren Kräfte zwischenzeitlich das Boot verlassen haben. Der Schritt zu einer klassisch rechtsextremen Partei sei nur noch symbolisch, sagt Brückner. Sein Film ist Mahnmal und Warnung – und hilft dabei, sich ein Bild von dieser »deutschen Partei« zu machen. 

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Titelfoto: Die junge Alternative auf Stimmenfang im Osten. Copyright: Spicefilm.


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