Als Maximilian S. den Gerichtssaal betritt, hält er sich keinen Hefter vors Gesicht – die Welt kennt es bereits. Als »Kinderzimmer-Dealer« ist er bekannt geworden, seine Geschichte inspirierte eine Netflix-Serie: Nun muss sich Maximilian S. erneut wegen illegalen Drogenhandels vor Gericht verantworten. Das Verfahren startete am Montag, den 23. Januar, am Landgericht Leipzig.
Maximilian S. betrieb von Dezember 2013 bis Februar 2015 eine illegale Plattform zum Drogenhandel im Internet, »Shiny Flakes«. Er arbeitete allein, aus seinem Kinderzimmer in Gohlis heraus – baute die Website auf, beschaffte und prüfte die Drogen, verschickte sie an seine Kundinnen und Kunden. Als er verhaftet wurde, stellten die Beamten Drogen im Wert von vier Millionen Euro sicher. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von sieben Jahren, nach vier Jahren und sieben Monaten wurde er vorzeitig auf Bewährung entlassen.
Sollten sich die neuen Vorwürfe bestätigen, hätte S. noch aus dem Gefängnis heraus einen neuen Drogen-Shop aufgebaut. Allein soll er diesmal aber nicht gewesen sein: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm, Friedemann G. und Andre R. vor, bandenmäßig mit Betäubungsmitteln in teilweise nicht geringer Menge gehandelt zu haben. Zwei weitere Angeklagte, Jens M. und Julius M., sollen Beihilfe geleistet haben. Laut Staatsanwaltschaft haben sich die Angeklagten spätestens im November 2018 zusammengeschlossen und bis Januar 2021 über die Website www.candylove.to Betäubungsmittel verkauft. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Gruppe 500 Postsendungen mit illegalen Substanzen, darunter Amphetamin, Haschisch, MDMA, Kokain, LSD sowie Tabletten und Arzneimittel, verschickt hat. Den Gesamterlös aus den Sendungen schätzt die Staatsanwaltschaft auf über 94 Tausend Euro. S. soll als Kopf der Gruppe fungiert haben. Er habe das nötige Wissen und Geld, begründet die Staatsanwaltschaft ihren Vorwurf, außerdem hätten sich die beiden Shopsysteme geähnelt.
Rechtsanwalt von S., Curt-Matthias Engel, wartete nicht erst die Belehrung durch Richter Rüdiger Harr ab, um die Zuständigkeit der Erwachsenenstrafkammer, in der das Verfahren läuft, anzuzweifeln. Einer der Angeklagten sei zum Tatzeitpunkt noch heranwachsend gewesen, weshalb eigentlich eine Jugendstrafkammer zuständig sei, rügte Engel. Er fordert, dass das Verfahren eingestellt wird. Richter Harr berichtete daraufhin, dass sich die Kammer dieses Problems bewusst sei und sich schon vorab damit befasst habe. Sollte im Prozess festgestellt werden, dass sich die Beschuldigten schon früher zusammengeschlossen haben, als es die Staatsanwaltschaft vorgibt, könnte es die Möglichkeit geben, die zuständige Kammer zu ändern, sagt Harr.
Auf Freispruch hofft der Angeklagte Andre R. In seinem Eingangsstatement bezeichnet R.s Rechtsanwalt Andrej Klein die Anklageschrift als »unzureichend« und inhaltlich und sprachlich fehlerhaft. R. habe keinen persönlichen Kontakt zum vermeintlichen Kopf der Bande, Maximilian S., gehabt. Er habe lediglich den Angeklagten Friedemann G. als Rechtsanwalt vertreten. Dass das LKA im Rahmen der Ermittlungen auch Telefongespräche zwischen R. und G. aufnahm, hält er für ungerechtfertigt. Oberstaatsanwalt Guido Lunkeit begründet die Überwachung damit, dass der Anfangsverdacht bestand, R. habe selbst Straftaten begangen.
Friedemann G. befindet sich zurzeit wegen einer anderen Strafsache in Haft in Berlin. Dass er für das laufende Verfahren regelmäßig nach Leipzig fahren muss, blockiere seine Resozialisierung, sagt seine Rechtsanwältin Ines Kilian. Auch Maximilian S. habe während und nach seiner Haft kaum eine Möglichkeit »zur Besinnung und Resozialisierung« gehabt, sagt Rechtsanwalt Engel. Als Zeuge musste S. immer wieder deutschlandweit an Gerichtsverhandlungen teilnehmen – die Polizei fand bei seiner Verhaftung 2015 diverse Kundendaten, wodurch Behörden Folgeverfahren in die Wege leiten konnten.
Das Landgericht hat 18 weitere Termin festgelegt, ein Urteil wird erst Ende Juni erwartet.