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Eine queere Konzertreihe für Leipzig

Das neue Projekt »Bouygehrl live« des Leipzigers Zacker startet am Samstag

  Eine queere Konzertreihe für Leipzig | Das neue Projekt »Bouygehrl live« des Leipzigers Zacker startet am Samstag

Eine queere Konzertreihe – braucht es die im Jahr 2023 überhaupt noch? »Das ist tatsächlich die mir im Kontext des Projekts am häufigsten gestellte Frage«, antwortet Zacker, als wir uns für ein Gespräch in seinem Büro in der Leipziger Mädler-Passage treffen. Zum Glück wird er nicht müde, trotzdem ausführlich auf die Frage einzugehen. Seit den frühen 2000er Jahren ist er als Party- und Konzertveranstalter tätig – das gesamtgesellschaftliche und das popkulturelle Verhältnis zu Queerness haben sich in dieser Zeit stark verändert: Selbst ein dezidiert heterosexueller Act wie Harry Styles wird heute frenetisch dafür gefeiert, dass er in Musikvideos mit Männern knutscht oder sich auf der Bühne mit einer Regenbogenflagge zeigt.

Dennoch gibt es viele Gründe für Zacker, auch heute noch an explizit queeren Räumen festzuhalten: »Zuallererst geht es mir darum, einen Raum zu schaffen, in dem ich und meine Szene sich sicher und wohl fühlen können«, sagt er. Denn die eben angerissene gesamtgesellschaftliche Normalisierung von Queerness – so führt er fort – sei nur die eine Seite der Medaille: »Die andere ist die, dass Übergriffe und Hassverbrechen auf queere Menschen seit geraumer Zeit wieder drastisch zunehmen – auch und gerade in urbanen Zentren wie etwa Berlin, das eigentlich als globales Queerparadies gilt.« Das hat zweifelsohne verschiedene Ursachen, hängt aber sicher auch damit zusammen, dass mehr Sichtbarkeit zugleich auch mehr Angriffsfläche bietet. Normalisierung beschreibt eben nur die Prozesshaftigkeit innerhalb einer strukturell homo- und transphoben Gesellschaft und ist nicht zu verwechseln mit dem Ziel, das es erst noch zu erreichen gilt.

Zugleich geht es ihm aber auch um Empowerment: »Denn offen queere Musiker:innen können auch Vorbild sein für junge Leute, die im Zuge ihrer Selbstfindung noch nicht das Selbstbewusstsein haben, sich zu ihrer Identität oder Sexualität zu bekennen.« Er erinnert sich dabei auch an seine eigene Kindheit und Jugend – etwa, als Madonna sich Anfang der neunziger Jahre durch Songs wie »In this life« mit der damals noch stärker marginalisierten queeren Community solidarisierte. Auch wenn Madonna selbst im engeren Sinne nie queer war, war sie als sogenannter Ally stets ein wichtiger Bezugspunkt für Queers.

Die nun im Februar beginnende Konzertreihe basiert auf dem Archiv Bouygehrl für queere Musik, das Zacker im Zuge der Pandemie ins Leben rief, als ans Party- und Konzertveranstalten nicht zu denken war. Darin sammelt und präsentiert er queere Musikacts aus allen musikalischen Spektren, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Karriere öffentlich zu ihrer Queerness bekannt haben. Knapp 2.000 Einträge umfasst das Archiv bereits, wobei ein Ende natürlich nicht in Sicht ist. Doch was motiviert ihn eigentlich, so viel und überwiegend unentgeltliche Arbeit in all seine Projekte zu stecken, die er neben seinem alltäglichen Bürojob nebenher macht? »Mein Mann sagt immer: ›Andere Leute gehen segeln, du machst eben Konzerte‹«, erzählt er lachend. Ein Hobby also? »Geld lässt sich mit so nischigen Konzerten, wie ich sie mache, jedenfalls in aller Regel nicht verdienen.«

Drei der Acts, die er bereits in das Archiv aufgenommen hat, wird er nun im Februar im Rahmen seiner neuen Konzertreihe auf der Bühne in Leipzig präsentieren. Den Abend eröffnen wird dabei Jennifer Berning, eine Singer/Songwriterin aus Berlin. »Ich finde, sie klingt sehr international«, so Zacker. Tatsächlich könnten ihre folkig-zerbrechlichen Gitarren-Balladen auch aus Übersee kommen. Darauf folgen wird Radøux, ein ebenfalls in Berlin beheimateter Künstler, der zwar klassisch-zeitgenössischen Pop produziert, dabei aber trotzdem »nicht so ausgelutscht klingt«, wie Zacker es ausdrückt. Und: »Ich mag diese Generation-Z-Wildness, die Radøux mit seiner Musik ausstrahlt.« Der Main-Act des Abends wird LIN sein, die mit ihrer Musik verschiedenste musikalische Gefilde streift, am ehesten aber im Bereich des Indie-Pop verortet werden kann. »Das Interessante bei ihr ist: Sie hat lauter Instrumente um sich herum und macht alles dabei selber – also Gitarre, Keyboard und so weiter. Via Loops schafft sie dabei eine Art Eine-Frau-Orchester, was echt beeindruckend ist«, gerät Zacker ins Schwärmen.

Bei alldem wird Zacker moderierend durch den Abend führen und auf der Bühne auch mit Jennifer Berning, Radøux und LIN in ein zumindest kurzes Gespräch kommen, um dialogisch den Bogen zum Überthema der Konzertreihe zu schlagen. Abgerundet wird die Veranstaltung von einer Drag-Show der Künstlerin Novir Gin: »Das war mir sehr wichtig, denn ich möchte das Ganze nicht als reinen Konzertabend, sondern – etwas hochtrabend ausgedrückt – als Revue oder Varieté verstehen.« Queerness ist bei Zacker eben kein bloßes Lippenbekenntnis.

> Bouygehrl live: Queer Music Night #1, 18.2., 19.30 Uhr, Nato


Titelfoto: Christiane Gundlach.


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