anzeige
anzeige
Kultur

Amour fou in der ostdeutschen Provinz

Verfilmung von Daniela Kriens »Irgendwann werden wir uns alles erzählen«

  Amour fou in der ostdeutschen Provinz | Verfilmung von Daniela Kriens »Irgendwann werden wir uns alles erzählen«

Ab Donnerstag im Kino: In Thüringen und Sachsen hat Emily Atef den Wende-Roman »Irgendwann werden wir uns alles erzählen« der Leipzigerin Daniela Krien adaptiert.

Sommer 1990 in einem Dorf in Thüringen: Die 18-jährige Maria verbringt die Zeit auf dem Hof der Familie ihres Freundes Johannes. Ein Zustand des Schwebens zwischen dem, was war, und der Ungewissheit, die vor ihnen liegt. Sie verbringt ihre Zeit lieber damit, »Die Gebrüder Karamasow« zu lesen, als in die Schule zu gehen. Die meisten ihrer Lehrerinnen und Lehrer sind ohnehin in den Westen abgehauen. Der Betrieb, in dem ihre Mutter arbeitete, wurde abgewickelt. Ihr Vater hat die Familie verlassen. Während Johannes von einer Zukunft als Fotograf träumt und sich für das Studium an der HGB in Leipzig bewirbt, streunt Maria durch die Nachbarschaft und trifft auf den alleinstehenden Bauern Henner. Die junge Frau fühlt sich gleich zu dem gebrochenen 40-jährigen Mann hingezogen, der die Köpfe der Frauen im Dorf verdreht. Zwischen den beiden beginnt eine verhängnisvolle Affäre.

Die Geschichte dieser Amour fou in der ostdeutschen Provinz hat die Leipzigerin Daniela Krien geschrieben, die 2020 mit dem Sächsischen Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Regisseurin Emily Atef (»3 Tage in Quiberon«) las den Roman und war gefangen. »Ich habe schon beim Lesen den gesamten Film vor mir gesehen«, sagt Atef. »Das liegt an Danielas Sprache, die sehr präzise und minimalistisch ist. Ihre Dialoge und Beschreibungen von Menschen sind sehr filmisch und mit einer ganz eigenen Poesie versehen. Ich musste diesen Film einfach machen.« Sie schrieb der Autorin einen Brief und zwischen den beiden Frauen entstand ein Band. »Wir haben uns kreativ und menschlich so gut verstanden, dass wir dieses Drehbuch wahnsinnig schnell geschrieben haben.« Sie adaptierten den Roman gemeinsam, Krien schrieb die Dialoge, Atef unter anderem die animalischen Sexszenen. Nur das Alter der Hauptfigur wurde angepasst, um den Film nicht auf einen Skandal zu reduzieren, denn im Buch ist Maria ein 16-jähriges Mädchen. Die Liebenden begegnen sich nicht nur auf einer körperlichen Ebene, sondern auch auf einer intellektuellen durch die gemeinsame Leidenschaft zur Literatur.

Die Ereignisse der Wendejahre werden in Dostojewski und der Haltlosigkeit der Beziehung gespiegelt. Das kleine Drama ist eingebettet im ganz großen. Johannes’ Onkel, der den Osten vor Jahren verließ, kommt zurück zur Familie mit seiner eigenen, die er sich aufgebaut hat. Er trifft auf Enttäuschung, Frust, Perspektivlosigkeit, aber auch Menschlichkeit und Wärme. Man sieht in den Figuren die beiden Hälften eines Landes, das lange brauchen wird, um zusammenzuwachsen.

Armin Dierolf (»Drii Winter«) fasst das mit seiner Kamera in die warmen, sinnlichen Bilder eines Sommers. Die Hauptrolle übernahm Marlene Burow, die zuletzt in Aelrun Goettes DDR-Drama »In einem Land, das es nicht mehr gibt« vor der Kamera stand. Ihr gegenüber steht Felix Kramer (»Freies Land«) als Henner. Gedreht wurde »Irgendwann werden wir uns alles erzählen« in Thüringen, der Hof war ein altes Rittergut in Teichwolframsdorf an der sächsischen Grenze. Weitere Aufnahmen fanden in Annaberg-Buchholz statt.

■ »Irgendwann werden wir uns alles erzählen«: ab 13.4., Cineplex, Passage-Kinos, Regina-Palast

Copyright Titelfoto: Pandora Film Row Pictures


Kommentieren


0 Kommentar(e)