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Kultur

»Ich zeichne nutzlose Bücher«

Comic-Künstler Nicolas Mahler über große Namen, unfreundliche Redaktionen und zweiköpfige Embryos

  »Ich zeichne nutzlose Bücher« | Comic-Künstler Nicolas Mahler über große Namen, unfreundliche Redaktionen und zweiköpfige Embryos

Was haben Godzilla und Thomas Bernhard, Wunderland-Alice und Schneider-Romy gemeinsam? Sie alle sind Teil von Nicolas Mahlers Universum, ihnen allen hat er hingeworfene Tuschgeschichten gewidmet beziehungsweise sie in solche transformiert. Im logbuch spricht er über seine Arbeit.

Artmann, Jelinek, Musil und Joyce: Keine Hemmungen vor großen Namen?

Das war nicht meine Idee. Suhrkamp kam auf mich zu und sagte, ich könne machen, was ich will. Da habe ich mir ohne großes Überlegen Thomas Bernhard ausgesucht. Rückblickend sicherlich wegen des humoristischen Tons. Ich bin ja Humorzeichner und ich wollte einen Text nicht verblödeln, also muss da Humor schon drin sein. So kam ich auf »Alte Meister« als erste Adaption und dachte, das wird ordentlich zerrissen, wenn die hohe Literatur in die niedere Kunst verwandelt wird.
 

Das Gegenteil trat ein, auch weil Comic als »Graphic Novel« salonfähig wurde?

Ja, es erschien wohl zur richtigen Zeit. Zehn Jahre vorher wäre das nicht gegangen. Der Comic ist als literarische Form erkannt worden, wo er früher immer mit der Kunst verbunden wurde. Er wird mehr als Buch wahrgenommen. Das Wort »Comic« wegzubekommen, zum Beispiel mit »sequenzielle Kunst«, hat nie funktioniert, »Graphic Novel« schon.
 

Wie sind Sie zu dem Medium gekommen?

Ich habe sicher mehr Comics gelesen als andere und immer schon gezeichnet, wenn auch nie gut. Aber wenn ich das mit einem lustigen Text oder einer lustigen Bildidee kombinierte, spielte das keine Rolle. Und ich habe schon da inhaltsbezogen gezeichnet. Nach der Schule mit 18 habe ich erste Strips an eine Tageszeitung geschickt und da habe ich dann ein halbes Jahr lang täglich Strips liefern müssen und gemerkt, man kann damit Geld verdienen. Wenn auch wenig.
 

Ihr Erfolg begann früh.

Danach war es viele Jahre nicht einfach. Aber ich bin einfach dabeigeblieben; etwas zwischendurch zu studieren, hat nicht funktioniert. Also zeichnete ich weiter. Wien war damals die unfreundlichste Stadt der Welt, die Redaktionen und Agenturen überheblich. Ich bin mit der Mappe dorthin und ganz schlecht behandelt worden. Über Wasser gehalten habe ich mich etwa mit Kindercomics in Bankzeitschriften. Dann habe ich in Frankreich publiziert und man konnte mich nicht mehr so schnell vom Tisch wischen. Das hat deutsche Verlage interessiert. Ich glaube, kein Land ist so zurückgeblieben in Sachen Comic wie Österreich. Früher wurde man verspottet, erst jetzt langsam startet das Grübeln. Aber es gibt keine Ausbildung, Förderung beginnt erst langsam. Es gibt keinen österreichischen Stil. Nach Cartoonisten wie Manfred Deix und Gerhard Harderer wird es dünn. Gut, Franz Suess ist bei Avant, André Breinbauer veröffentlicht gerade bei Carlsen. Aber es ist eher jeder für sich.
 

Wie gehen Sie dabei vor, einen Roman zu adaptieren?

Ich arbeite relativ konfus, nicht wie andere, die ein Script schreiben, alle Seiten vorzeichnen, zum Schluss austuschen. Ich mache mir Notizen, schreibe Stellen raus und brauche einen Grundbogen: Geht sich das aus? Dann arbeite ich parallel, wie ich gerade Lust habe. Wenn ich mich am Lesen erfreue, lese ich, wenn ich zeichnen will, mache ich das. Dann muss ich es zusammenfügen, weshalb es umso mühsamer wird, je näher ich dem Ende komme.
 

Aus Romanen werden Comics, aus diesen Theaterstücke und Filme – was reizt Sie am Genreübergreifenden?

Ich freue mich über alles, was mich halbwegs interessiert. Ich bin schnell gelangweilt. Zum Beispiel hat mich die Biografie vom Spezialeffekte-Mann bei »Godzilla« einfach gereizt. Die Fotos waren herrlich. Damit wollte ich mich beschäftigen. Romane oder Filme benutze ich auch nur für die eigene Arbeit, ich erzähle sie nicht nach. Auch wenn viele erwarten, dass man dann den Roman nicht lesen muss. Ich zeichne aber keinen »Musil für Idioten«, mache nutzlose Bücher.
 

Auch wenn Wien so unfreundlich ist, was sollte man dort nicht verpassen?

Wenn man ein Klischee erfüllt haben will und einem leicht übel werden soll, sollte man in den Narrenturm gehen, die anatomisch-pathologische Sammlung. Das sind in Aldehyd eingelegte zweiköpfige Embryos, Abgüsse von krankheitsbefallenen Gliedmaßen und Missbildungen. Das ist eine atmosphärisch gute Einstimmung.

 

> Vorstellung seines Buches Akira Kurosawa und der meditierende Frosch, 27.4., Forum die Unabhängigen - Halle: 5, Stand: D313

> Dieses Interview erschien zuerst im logbuch. Dieses können Sie kostenlos hier als Epaper herunterladen. 


Foto: Selbstporträt, Nicolas Mahler.


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