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Kultur

»Kultur ist für mich Kommunikation« 

Initiator Steffen Birnbaum im Gespräch über das Projekt »Mölkau liest ein Buch« 

  »Kultur ist für mich Kommunikation«  | Initiator Steffen Birnbaum im Gespräch über das Projekt »Mölkau liest ein Buch« 

Steffen Birnbaum war zehn Jahre lang der Projektleiter des Leipziger Literarischen Herbstes und noch länger Vorsitzender des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Sachsen. Die Erfahrung mit Literaturprojekten und seine Lust auf Veranstaltungen in Mölkau merkt man ihm im Gespräch in den neuen, ihm noch unbekannten Redaktionsräumen des kreuzer deutlich an.

Vorab: Wo sehen Sie die Aufgaben von Kultur, Herr Birnbaum?

Das ist nicht ganz einfach zu beantworten. Aber ich denke, dass Kultur auch dazu beiträgt, ein Miteinander der Menschen in der Stadt zu fördern. Kultur ist für mich eine Art der Kommunikation der Menschen untereinander in dieser Stadt.
 

Genau da setzt ja das städtische Themenjahr 2023 an: »Leipzig – Die ganze Stadt als Bühne«. In dessen Rahmen findet Ihr »Mölkau liest ein Buch« statt. Was verbirgt sich hinter der Veranstaltung?

»Mölkau liest ein Buch« geht zurück auf Initiativen, die »Eine Stadt liest ein Buch« heißen. Dabei sucht eine Stadt, eine Jury ein Buch aus, ein ganz bestimmtes Buch, möglichst mit lokalem Bezug. Es sollen dann möglichst viele Leute in der Stadt dieses eine Buch lesen, und es werden Veranstaltungen dazu organisiert. In München gibt es das in einem Stadtteil seit zehn Jahren und es ist ein Riesenerfolg. Da bin ich auf die Idee gekommen: Warum denn nicht mal »Mölkau liest ein Buch«?
 

Mölkau liest nun »Muldental« von Daniela Krien – warum?

Das lag natürlich einmal am Titel, denn Mölkau liegt im Süden von Leipzig und an den Südraum von Leipzig schließt sich das Muldental an. Es gibt zwei Geschichten im Buch, die direkt im Muldental spielen. Und es sind sehr knapp und präzise geschriebene Erzählungen. Man muss nicht unbedingt das ganze Buch lesen, man kann auch erstmal nur zwei oder drei Erzählungen lesen. Das haben wir bewusst so gemacht, es sollte nicht gleich ein Roman von 800 Seiten sein.
 

Die Erzählungen im Buch handeln hauptsächlich von Wendeverlierern. Es geht um schwierige Schicksale und Chancenlosigkeit. Ist das die passende Literatur für Mölkau?

Ich habe von einigen Leuten, die das Buch mittlerweile gelesen haben, schon gehört, dass es sie ganz schön runtergezogen hat. Aber es gibt einfach sehr viele Leute, die das nach der Wende so erlebt haben. Den Bauernhof im Muldental, der aufgegeben werden musste, den hat es wirklich gegeben. Und auch junge Menschen, die dann in den Westen gehen mussten, um dort einen Job zu finden, spielen in einer Erzählung eine Rolle. Das hat man erlebt! Dass es ein bisschen runterzieht – da bin ich der Meinung: Das darf Literatur. Literatur darf sich mit ganz ernsthaften Themen beschäftigen. Da darf auch mal ein Selbstmord passieren – weil es das gibt. Literatur greift Dinge auf, die den Menschen im Leben passieren, die nicht immer schön sind, die wir aber trotzdem alle erleben.
 

Leipzigs Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke liest bei der Veranstaltung auch eine Erzählung vor. Gibt es dafür einen besonderen Grund?

Es hat im Neuen Rathaus eine Veranstaltung gegeben, wo alle Ortschaften ihre Ideen für »Leipzig – Die ganze Stadt als Bühne« vorgestellt haben. Skadi Jennicke hat mich danach angesprochen und gesagt, sie habe alle Bücher von Daniela Krien gelesen, finde sie ganz toll und würde gerne zur Veranstaltung kommen und eine Erzählung lesen.
 

Nun bietet Leipzig in vielen Stadtteilen schon eine Vielfalt an Kultur. Warum braucht es Kultur jetzt auch noch in Mölkau?

Ich habe 29 Jahre in Stötteritz gewohnt und bin vor fünf Jahren nach Mölkau gezogen. Es ist tatsächlich so, dass ich gemerkt habe: Obwohl Stötteritz und Mölkau direkt nebeneinander liegen, existieren die Ortschaften wie für sich. Mölkau ist wie so eine kleine eingeschworene Gemeinschaft und die Leute finden es gut, wenn in ihrer Ortschaft was passiert, ja, die Räumlichkeiten genutzt werden.

Ich wollte es zwar nicht, aber ich komme jetzt doch mal auf die Coronazeit zurück: Es ist zweieinhalb, drei Jahre im Prinzip nichts passiert, weil man nicht durfte, nicht konnte. Jetzt merkt man, wenn wieder Veranstaltungen sind: Die Leute haben richtig Lust, zu kommen. Es macht richtig Spaß. Vorher war man für sich alleine, hat zwar auch mal einen Film geguckt oder ein Buch gelesen, aber die Kommunikation zwischen den Leuten war so nicht mehr gegeben. Man braucht Kultur.
 

Das heißt für die Zukunft Mölkaus steht viel Kultur auf dem Programm?

Ja, wir machen innerhalb von »Die ganze Stadt als Bühne« nicht nur Literatur. Es gibt auch Konzerte und Theater. Wir beginnen jetzt mit der Literaturwoche, das hängt mit der Buchmesse zusammen. Dann gibt es eine Woche der Musik, eine sogenannte Mölkauer Woche, und eine Woche des Schauspiels. Alles dieses Jahr, im Rahmen des Themenjahres. 

 

> Mölkau liest ein Buch – Lesung und Gespräch:12.5., 19 Uhr, Aula der Oberschule Mölkau, Schulstr. 6, 04316 Leipzig


Foto: Christiane Gundlach


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