Während sich Berlin mutmaßlich einen Bären aufbinden lässt, fand vor 110 Jahren in Leipzig wirklich eine Löwenjagd statt. Die endete für die entflohenen Tiere jedoch tödlich.
Sommerloch and the living ist easy: zumindest, wenn man Journalist ist und wieder ein wilder Problem-Wels oder -Bär auftaucht, der die Gemüter erhitzt. Und man bequem darüberschreiben kann. Ein wackliges Handy-Filmchen findet sich sicher, um das Spekulieren anzutreiben. Just so ist es in Berlin geschehen. Und da es die Hauptstadt nicht unter dem König der Tiere macht, soll dort eine Löwin unterwegs sein – zumindest im Speckgürtel. Schon berichten sogar die New York Times und der Guardian, so groß ist wohl das Sommerloch des globalen Nordens. Wir nutzen die Gunst der Stunde, um auf ein verbrieftes Stück Leipziger Lokalgeschichte hinzuweisen: Die Leipziger Löwenjagd.
Das Wappentier grüßt schon, wenn man in die Stadt hineinfährt. An den Magistralen stehen seit den 1980ern sandsteinerne Löwen. Seine Häufung in der Stadt ist tatsächlich erstaunlich. Gleich 45 mal schaut ein Mähnenkopf vom Bundesverwaltungsgericht herab, Alte Börse, Altes und Neues Rathaus und Deutschen Nationalbibliothek tragen ihn außen und mal innen, am Turm des Polizeipräsidiums gibt er den wachsamen Aufräumer; Städtisches Kaufhaus, Stentzlers Hof...die mit ihm geschmückten Wohnhäuser gar nicht mit einberechnet: Ja, Leipzig ist Löwenstadt, der gut Brüllende hier Legion. Logisch, dass es eine eigene Löwenstory gibt, die sogar wahr ist.
Die sogenannte Leipziger Löwenjagd ereignete sich im Oktober 1913. Da gastierte ein Zirkus namens »Barum’s amerikanische Karawanen-Menagerie« mit zehn Löwen im Gepäck, um der Einweihungsfeier des Leipziger Völkerschlachtdenkmals eine Prise Unterhaltung zu geben. Am Abend des 19. Oktobers wollte der Zirkus aus der Stadt abziehen. In der Yorckstraße (heute Erich-Weinert-Straße) kehrten die Kutscher noch einmal ein. Es war angeblich neblig, die Pferde wurden wegen der Wildtiere unruhig, die Kutschen kippelten und die animalische Fracht geriet frei. Acht Löwen trollten sich durch die Stadt, die Polizei blies zur Großwildjagd. Und noch größer war das Halali. Mit ganzen 165 Kugeln wurde das Männchen Abdullah niedergestreckt, fünf weitere teilten sein Schicksal, einer blieb angeschossen liegen. Löwin Polly flüchtete ins Hotel Blücher, wo sie auf einer Toilette eingesperrt und lebend gefangen werden konnte. Man nannte daraufhin die Schlafstatt in »Hotel zum Löwen« um (heute: Best Western). Zeitgenössische satirische Sammelmarken bilden stilecht das »Löwenschlachtdenkmal« ab: Pickelbehaubt ruhen die Schützen vor einem Kadaver-Aufwurf.
Die toten Löwen wurden im Zoo aufgebahrt und konnte als Attraktion für eine Woche bestaunt werden. Das machte ordentlich Kasse. Ganz easy wie eine #LöwinBerlin zum Sommerloch.
Titelbild: Werbepostkarte des Hotels Blücher in Leipzig bezugnehmend auf die Leipziger Löwenjagd, Quelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig