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Stadtleben

Kein Königreich Sachsen

Die Footballer der Leipzig Kings stellen mitten in der Saison den Spielbetrieb ein – auch Lok leidet darunter

  Kein Königreich Sachsen | Die Footballer der Leipzig Kings stellen mitten in der Saison den Spielbetrieb ein – auch Lok leidet darunter  Foto: Imago/Beautiful Sports

Es ist noch gar nicht lange her, da verkündeten die Macher der Leipzig Kings, ein mitteldeutsches Football-Königreich aufbauen zu wollen. »A middlegerman kingdom« nannte es der damalige Trainer Fred Armstrong nach der ersten Spielzeit im Herbst 2021 mit breitem amerikanischem Akzent im Brustton der Überzeugung. Nun ist dieses Königreich in sich zusammengefallen wie ein Kartenhaus. Mitte Juli meldete die European League of Football (ELF) die Kings nach nur fünf Saisonspielen aus dem Spielbetrieb ab. Den Besitzern Moritz Heisler und Marc Quoadt war mitten in der Spielzeit das Geld ausgegangen. Profi-Football in Leipzig ist damit vorerst Geschichte, das Franchisesystem nach amerikanischem Vorbild mit Teambesitzern ohne Vereinsunterbau gescheitert.

Im Frühjahr 2021 war das Projekt aus dem Nichts emporgeschossen. Die neu gegründete ELF brauchte rasch Teams, verkündete die Leipzig Kings als Gründungsmitglied, ohne dass in der Messestadt jemand davon wusste. Binnen weniger Wochen wurde eine Mannschaft zusammengescoutet. Doch Zweifel an der Seriosität des Unterfangens gab es von Beginn an. Nach dem Harakiri-Start wurde lange geheim gehalten, wer eigentlich die Finanziers der Kings sind. Nach einem gewissen Doina Roma wurde der Boxkampf- und MMA-Veranstalter Özhan Altintas als neuer Besitzer vorgestellt. Vor der vergangenen Saison stiegen der Hamburger Logistikunternehmer Moritz Heisler und sein Partner Marc Quoadt ein und haben seither nach eigenen Angaben zwei Millionen Euro in das Franchise investiert. Heisler war als erster General-Manager selbst in Leipzig als Ansprechpartner präsent. Er wirft den mehrfach gewechselten Vorbesitzern nun »massive Versäumnisse« vor, was bis heute bei Verhandlungen mit interessierten Unternehmen nachhalle. Verbrannte Erde nach nur einer Saison. »Es gab keine Struktur, um etwas aufzubauen, alles war reaktiv, man hat einfach nur versucht, hier etwas aus dem Boden zu stampfen«, sagt Heisler im Gespräch mit dem kreuzer. Der Unternehmer muss nun eingestehen, dass er sich verkalkuliert hat. Das Publikumsinteresse sank nach der ersten Saison kontinuierlich. Ein Schnitt zwischen 3.000 und 5.000 Fans pro Spiel sei nötig, um genug Einnahmen zu generieren. Es kamen 1.500 bis 2.000. Geld für Marketing und einen Unterbau fehlte. Zudem soll kurz vor der Saison ein Hauptsponsor abgesprungen sein, wodurch am Ende etwa eine halbe Million Euro fehlte.

Der vorhandene Etat floss vor allem in die Mannschaft – zehn Importspieler plus deutsche Akteure – und die Miete fürs Bruno-Plache-Stadion. Im Management führte Heisler die Kings wie ein Familien-Start-up mit seiner Frau, seinem Partner sowie weiteren engen Freunden. Noch im Juni betonte er: »Wir haben immer gesagt, dass wir ein langfristiges Projekt anstreben.« – zugleich aber auch schon: »Irgendwann muss dieses Unternehmen auf eigenen Füßen stehen. Wir haben sicher nicht unendlich viele Ressourcen.« Einen Monat später sind diese aufgebraucht.

»Wir sind generell skeptisch, wie eine Profi-Football-Liga in Europa auf Dauer finanzierbar sein soll«, sagt Axel Streich, Vorstand des Bundesliga-Verbandes German Football League (GLF), des vereinsbasierten Konkurrenten der ELF, der dem organisierten Sport angehört, wie es hierzulande aus anderen Sportarten bekannt ist. »Es gab ja in der Vergangenheit schon einige gescheiterte Versuche, eine Profiliga zu etablieren. Aber gut, das sind Geschäftsleute, die sollen und dürfen ihr Glück versuchen.« Nach den Istanbul Rams sind die Kings nun das zweite Team, das sich binnen eines Jahres aus wirtschaftlichen Gründen aus der ELF zurückziehen muss. »Ich kann nicht beurteilen, ob das der Anfang einer Kette ist oder Einzelfälle sind. Wenn ein, zwei Standorte nicht mehr existieren, hat das auf Football hierzulande sicher keinen Einfluss. Doch wenn so was öfter passieren sollte, wirft das auf unsere Sportart insgesamt nicht das beste Licht«, fürchtet Heisler.

An traditionellen Football-Standorten wie in Hamburg wird das Konzept durchaus angenommen. Zum Saisonauftakt zwischen den Hamburg Sea Devils und Düsseldorf Rhein Fire kamen 32.000 Fans. Doch in Leipzig war vom Football-Boom, der sich vor allem auf die amerikanische Profiliga NFL konzentriert, nicht viel zu spüren. »Wir sehen aktuell nicht, wo die Einnahmen herkommen sollen«, sagt Heisler ratlos.

Zwar hofft die Liga nun, den Standort Leipzig zu erhalten, doch woher neue Geldgeber kommen sollen, ist unklar. Die versprochene Unterstützung durch Gespräche mit potenziellen Co-Besitzern und Investoren blieb aus. Die Spieler und Trainer dürfen sich bis Ende Juli bei GFL-Bundesligateams oder anderswo bewerben. Für den 1. FC Lok Leipzig, der den Kings das Stadion vermietete, fällt nun ein fest eingeplanter mittlerer fünfstelliger Betrag weg. Finanzielle Schieflagen kennen sie bei Lok, doch sie werfen den Kings vor, diese nicht offen kommuniziert zu haben. Vom drohenden Aus erfuhr Lok-Geschäftsführer Martin Mieth aus der Zeitung, dass die Kings vom Spielbetrieb abgemeldet wurden, erst im Gespräch mit dem kreuzer. Falls es in der kommenden Saison doch wieder Profi-Football in Probstheida geben sollte, sei Lok zwar weiter gesprächsbereit und würde das »Bruno« zur Verfügung stellen. »Aber wir würden dann eine andere Zahlungsart für die Mietzahlungen wählen«, sagt Mieth. Football in Leipzig funktioniert erst mal nur noch gegen Vorkasse. Vom geplanten mitteldeutschen Königreich ist bis auf das Franchise-Logo gerade nichts mehr übrig.


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