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Kultur

»In der wiederholten Wiederholung liegt ein großes Glück«

Dirk von Lowtzow über 30 Jahre Tocotronic zwischen Frankenwald und dem Auwald

  »In der wiederholten Wiederholung liegt ein großes Glück« | Dirk von Lowtzow über 30 Jahre Tocotronic zwischen Frankenwald und dem Auwald  Foto: Jutta Pohlmann

Leipzig sei für die Band Tocotronic »schon immer eine besondere Stadt gewesen«, ließ Sänger und Gitarrist Dirk von Lowtzow im August des vergangenen Jahres das frenetische Publikum im damals völlig überhitzten Felsenkeller wissen. Kein Wunder, dass das einst in Hamburg (als Trio) gegründete Quartett schon seit geraumer Zeit nahezu jährlich in der Messestadt gastiert.

In diesem Jahr nun feiert die Band ihr 30-jähriges Jubiläum gleich mit zwei Leipzig-Konzerten – ihrem umjubelten Mai-Auftritt im Conne Island folgt im August bereits das nächste Konzert auf der Freiluftbühne des Geyserhauses. Warum ihn mit Leipzig eine Art Aberglaube verbindet und weshalb Spaziergänge im Leipziger Auwald seinen Appetit anregen, verrät von Lowtzow im Gespräch mit dem kreuzer.

Ihr aktuelles Album trägt den Titel »Nie wieder Krieg«. Haben Sie einen Hang zum Utopischen?

Privat eigentlich nicht, da lebe ich eher im Hier und Jetzt und handele oft pragmatisch. In unseren Liedern gibt es aber diesen Strang. Das ist gut erkannt. Musik ist oft ein Träger von Hoffnung, von Trost und kann auch eine Art Wunschmaschine sein.

Auf Ihren letzten drei Alben haben Sie mit Songs wie »Die Erwachsenen«, »Electric Guitar« und »Jugend ohne Gott gegen Faschismus« mehrere Loblieder auf die ausschweifende Jugend und unbedingte Naivität veröffentlicht. Ist die Jugendzeit für Sie spannender als das Leben in den eigenen Fünfzigern?

Nein, das nicht. Aber wir alle haben eine große Liebe und ein Einfühlungsvermögen für junge Menschen, auch wenn das zugegebenermaßen ein bisschen altmodisch klingt.

Songs wie »Freiburg« oder »Drüben auf dem Hügel« sind seit der Anfangszeit der Band fester Bestandteil jedes Livesets. Nervt es nicht manchmal, diese Songs zu spielen?

Nein, in der wiederholten Wiederholung liegt ein großes Glück.

Inwiefern fühlen Sie sich dabei auch den Präferenzen des Publikums verpflichtet, das oftmals ja eher die alten Klassiker als die neuen Songs hören möchte? Empfinden Sie sich als Band da nicht manchmal mehr wie ein Dienstleister denn als Künstler?

Nein, diese Empfindung haben wir nicht. Wir freuen uns, das eben beschriebene Glück der wiederholten Wiederholung mit unserem Publikum teilen zu dürfen.

Erst im Mai haben Sie im Epizentrum der autonomen Szene Leipzigs – dem Conne Island – gespielt. Nun bespielen Sie wieder mal die vergleichsweise gemütliche, bürgerlich anmutende Parkbühne Geyserhaus. Kann man sagen, dass die beiden Orte die Pole repräsentieren, innerhalb derer die Band sich eingenistet hat?

Nein. Das würde ich für eine krasse Überinterpretation halten. Einnisten wollen wir uns grundsätzlich nirgendwo, das klingt ja scheußlich.

Während Ihres vorletzten Leipzig-Konzertes – im August 2022 – haben Sie gesagt, Leipzig sei für Tocotronic »schon immer eine besondere Stadt« gewesen. Wenn wir Sie beim Wort nehmen und davon ausgehen, dass Sie Ähnliches nicht auch schon in Buxtehude oder Bautzen gesagt haben: Was macht Leipzig für die Band so besonders?

Wir haben schon sehr früh in unserer Bandgeschichte hier gespielt, beziehungsweise nicht gespielt: Das erste Konzert, das auch schon im Conne Island hätte stattfinden sollen, haben wir eingeschneit im Stau auf dem Rasthof Frankenwald verbracht. Bei all unseren folgenden, geglückten Konzerten hatten wir immer das Gefühl, dass in den Clubs dieser Stadt eine besondere Stimmung herrschte und es einen speziell heißen Draht zum hiesigen Publikum gab. Vielleicht, weil unser erstes Mal so verunglückt war? Ist das abergläubisch?

Ihre Leidenschaft für lange, ausschweifende Spaziergänge ist bekannt. Da man als Tourist ja mitunter einen viel wacheren Blick auf das Geschehen einer fremden Stadt hat: Welchen Leipziger Spot würden Sie abschließend unbedingt zum Flanieren empfehlen?

Da erwischen Sie mich etwas unvorbereitet. Da wir meistens in Connewitz auftreten und dort seit Jahren im selben Hotel übernachten, beschränken sich meine Erkundungen auf den nahe gelegenen, aber wunderschönen Auwald. Danach habe ich meistens einen riesigen Appetit auf Spaghetti mit Bärlauchpesto.

■ Tocotronic: 26.8., 20 Uhr, Parkbühne Geyserhaus


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