Leipzig bildet das Schlusslicht unter den deutschen Großstädten, wenn es um die Lebenszufriedenheit seiner Einwohnerinnen und Einwohner geht. Das geht aus einer Studie der Süddeutschen Klassenlotterie von 2023 hervor. Die Zufriedenheit bemisst dieser »Glücksatlas« aus unterschiedlichen Faktoren: Einkommen, Zusammengehörigkeit oder auch die Zufriedenheit mit der öffentlichen Verwaltung. Ob man Leipzig trotz dieses schlechten Abschneidens lebenswert findet, ist eine Frage der Perspektive – es kommt nur darauf an, wie und welche Zahlen man sich anschaut. Der kreuzer hat da ein paar Serviervorschläge.
Unter den zwölf Großstädten, die für den »Glücksatlas« untersucht wurden, gibt es neben Leipzig nur zwei weitere ostdeutsche Städte: Dresden und den Sonderfall Berlin. Laut einer von Zeit-Online, die das mittlere Bruttoeinkommen deutscher Städte und Kommunen für dieses Jahr erhoben hat, zeigt sich, dass Dresden (3.500 Euro), Berlin (3.778 €) und Leipzig (3.371 Euro) nicht so weit auseinanderliegen, wie die Zufriedenheit mit dem Einkommen suggeriert. Denn in Leipzig liegt die Mietkostenbelastung der Haushalte trotz steigender Mieten noch immer bei ungefähr 19,7 Prozent des Bruttoeinkommens. Rechnen wir den höheren prozentualen Anteil der mittleren monatlichen Mietkostenbelastung Berlins (ca. 32 Prozent des Bruttoeinkommens) mit ein, steht das niedrige Bruttoeinkommen in Leipzig verhältnismäßig gut da. Das um die Mietkostenbelastung bereinigte mittlere Einkommen läge in Berlin demnach bei 2.569 Euro und in Leipzig bei 2.707 Euro.
Bei anderen Zufriedenheitsfaktoren schneidet Leipzig nicht schlecht ab. Von der Gesamtfläche Leipzigs von circa 300 Quadratkilometern sind ganze 6,6 Prozent Wald- und 3,9 Prozent Wasserfläche. Das entspricht knappen 20 Quadratkilometern Wäldern im Stadtgebiet und beinahe 12 Quadratkilometern Seen und Flüssen. Im Verhältnis entspricht diese Größe beinahe den flächenmäßig kleinsten Städten Nordrhein-Westfalens, Schwelm (20,49 Quadratkilometer, 28.723 Einwohner), und Mecklenburg-Vorpommerns, Franzburg (15,20 Quadratkilometer, 1.367 Einwohner). Leipzig kann also auf eine Naherholungsfläche zurückgreifen, die eine klein- und sogar mittelstädtische Anzahl an Menschen beherbergen könnte. Jedem Menschen in der Stadt kommen pro Kopf theoretisch 58 Quadratmeter Grünfläche (Parks, Schrebergärten, Sportplätze) zu.
Zu den 20 Quadratkilometern Waldfläche zählen unter anderem 1,8 Quadratkilometer Friedhöfe, deren Fläche einmal im Jahr ebenfalls von Gästen aus ganz Europa beansprucht wird. Das Wave-Gothic-Treffen lockte in diesem Jahr 20.000 Besucherinnen und Besucher. Stellen wir uns spaßeshalber vor, diese 20.000 Gothic-Enthusiasten verteilten sich ausschließlich auf die 1,8 Quadratkilometer Friedhöfe, so sprächen wir von einer Bevölkerungsdichte von 11.111,11 Menschen pro Quadratkilometer – und das zählt nur die Lebenden.
»Und überall liegt Scheiße, man muss eigentlich schweben / Jeder hat ’nen Hund, aber keinen zum Reden / Ich atme ständig durch den Mund, das ist Teil meines Lebens«, sang Peter Fox. Sein Lied bezog sich auf ein dreckiges und hässliches Berlin. Ein Zustand, der während der Pandemie laut Zahlen eigentlich schlimmer geworden sein müsste. Schon 2021 titelte die Zeit, dass eine Million mehr Haustiere im Gegensatz zum Vorjahr dazugekommen ist. Aber auch damit kann Leipzig, zumindest in der Theorie, mithalten. In einer Erhebung von 2021 stellte das Amt für Statistik und Wahlen fest, dass in Leipziger Haushalten insgesamt 23.870 Hunde leben. Das bedeutet, dass auf 4.360 städtische Papierkörbe im gesamten Stadtgebiet eine Hundekotbelastung von 5,5 Hunden pro Mülleimer besteht.
Wer sich fragt, in welchem Stadtteil besonders viele Vierbeiner zu Hause sind, der sieht ein Klischee bestätigt: Während in Miltitz 101 und im Zentrum gar nur 53 Hunde leben, sind es in Connewitz mit 743 die meisten Hunde der Stadt. Was bei gerade einmal 116 städtischen Papierkörben im Viertel zu einer etwas höheren Belastung der städtischen Infrastruktur von 6,4 Hunden pro Mülleimer führt – in der Innenstadt hat dagegen ein Hund 5 Müllkörbe zur Verfügung. Gut, dass Restaurants und Imbisse zusätzliche Papierkörbe bereithalten. Die einzigen beiden Hundekotbeutelspender Leipzigs stehen übrigens im Clara-Zetkin- und Johannapark. Nach einer Pilotphase im gesamten Stadtgebiet sah die Stadtreinigung davon ab, die Hundekotbeutelspender weiter zu betreiben, nachdem die Beutel ständig in großer Stückzahl und ohne sichtbare Entsorgung in den Papierkörben entnommen wurden.
Die Verkehrswende ist für alle eine Herausforderung. Im Schweizer Basel beispielsweise benutzen die Einwohnerinnen und Einwohner sogar den Rhein zur Beförderung. Flussabwärts binden sie sich einen wasserdichten Seesack mit den Arbeitsklamotten an die Beine und lassen sich vorbei an Freizeit- und Frachtschiffen zu ihrem Büro am anderen Ende der Stadt treiben. Für diese Art der Fortbewegung ist Leipzig möglicherweise (noch) nicht geeignet. Immerhin stehen den circa 1.809 Kilometern Straßennetz für Autofahrende gerade einmal knapp 9 Kilometer Wasserstraßen gegenüber. Dafür können Fahrradfahrende in Leipzig ihre ganz eigene Mini-Tour de France zur Arbeit fahren. Die 400 Kilometer Radweg, die in Leipzig befahrbar sind, liegen nur unwesentlich unter der längsten jemals gefahrenen Etappe des französischen Radrennens, das in den Jahren 1919–24 auf der Strecke von Les Sables d’Olonne nach Bayonne 482 Kilometer zählte. Eine Bergetappe ist in Leipzig hingegen schwer möglich.
Dass das einiges an Platz bedeutet, zeigt sich nicht zuletzt am Ausmaß an Besucherinnen und Besuchern der Buchmesse. Nach pandemiebedingter Verschiebung fand 2023 praktisch ganz Mönchengladbach im Stadtgebiet Platz. Mit 274.000 Buchinteressierten kamen sogar ein paar Menschen extra – die nordrhein-westfälische Metropole zählt nämlich nur knapp 268.465 Einwohnerinnen und Einwohner.
Zufrieden sind wir am Ende doch mit den kleinen Dingen im Leben: Bei gutem Wetter im Gras liegen und in die vorbeiziehenden Wolken schauen. Wer gerade keinen Park zur Verfügung hat – oder wenn das Wetter nicht passt –, dem oder der können wir dank des Wolkenlabors in Leipzig eine kleine Wolke zum Träumen bereitstellen. Mithilfe des LACIS-T (»turbulenter Leipzig Aerosol Cloud Interaction Simulator«) können am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung Wechselwirkungen zwischen Aerosolpartikeln und Wolkentröpfchen simuliert werden. Wolkentröpfchen bestehen aus Wasserdampf, der durch Zugabe von Partikeln oder Aerosolen kondensiert. Die Tröpfchen wachsen durch Turbulenzen und die Zugabe von Luftströmen wie Wolkenkeimen weiter an und es entstehen kleine Wolken. Der LACIS-T ist also im Prinzip eine »Wolkenmaschine«. Die Mini-Wolken werden im Labor mithilfe grünen Lichts sichtbar. Nebenstehend ist das mit Druckerschwärze improvisiert.