Der erste Schritt für die meisten Betroffenen häuslicher Gewalt ist oft ein Anruf, zumeist bei der Polizei. Am Tatort angekommen, ist diese verpflichtet, eine Anzeige aufzunehmen, hat zudem die Möglichkeit, den Täter bis zu zwei Wochen der Wohnung zu verweisen, darf festlegen, bis wohin er sich nähern darf, oder ihn sogar in Gewahrsam nehmen. Den Betroffenen müssen die Polizeibeamten und -beamtinnen Beratungs- und Schutzmöglichkeiten nennen. Damit haben sie als erste Instanz großen Einfluss darauf, wie sich die Situation der Betroffenen weiter entwickelt. Und das nicht nur positiv: Zwar machen rund 40 Prozent der Betroffenen von häuslicher Gewalt unterstützende Erfahrungen mit der Polizei, doch ähnlich viele haben auch gegenteilige Erfahrungen. Das ergab die Viktimisierungsstudie Sachsen (VisSa) zur Betroffenheit von Frauen durch sexualisierte Gewalt, häusliche/partnerschaftliche Gewalt und Stalking aus diesem Jahr. Studienleiter Heinz-Jürgen Voß erklärt dem kreuzer, das habe mit dem Umgang der Polizei mit Betroffenen zu tun: So könne es sein, dass Beamte nicht richtig hinhören, berichtete Bedrohungen nicht ernst nehmen und sogar Witze machen.
Eine Mitarbeiterin eines Leipziger Frauenhauses berichtet uns, dass häufig Frauen betroffen seien, die gar nicht oder nur gebrochen deutsch sprächen: »Es müsste dann zwangsläufig eine Dolmetscherin eingeschaltet werden. Ich bin mir aber nicht hundertprozentig sicher, ob das immer passiert.« Laut einer anderen Frauenhaus-Mitarbeiterin hätten Beamte in so einem Fall schon mal den Täter dolmetschen lassen. Auf eine Nachfrage vom kreuzer zu diesen Berichten gab die Polizei Leipzig keine Auskunft.
Schulungen zum Umgang mit häuslicher Gewalt zeigen Wirkung
Im Grunde genommen, so betonen mehrere Mitarbeiterinnen des Hilfesystem uns gegenüber, laufe aber die Zusammenarbeit mit der Polizei in Leipzig sehr gut. Insbesondere mit den beiden Opferschutzbeauftragten. Das liege vor allem an den Weiterbildungen und Schulungen: »Wenn die Polizistinnen und Polizisten geschult sind, merken wir das auf jeden Fall in der Zusammenarbeit. Sie sind dann sensibilisiert und kennen die Abläufe. Aber es kommen immer wieder neue Streifenpolizisten, die vielleicht noch nicht geschult sind, wo wir dann auf jeden Fall einen Bedarf sehen«, erzählt Maren*, die in einem Leipziger Frauenhaus arbeitet. Carmen Wendt, eine der beiden Opferschutzbeauftragten bei der Leipziger Polizei, bestätigt diese Wahrnehmung: Nur mithilfe der Schulungen könnten die Beamtinnen und Beamten Betroffenen unterstützen, sagt sie. In Leipzig sei die Teilnahme an diesen Schulungen verpflichtend. Vielen Polizistinnen und Polizisten stehe dabei die Frage ins Gesicht geschrieben: »Warum trennen sich die Frauen nicht einfach von ihren Partnern?«. In den Schulungen werde deshalb auch besprochen, welche Faktoren den betroffenen Frauen einen solchen Schritt erschweren.
Eine Beratungsstelle für schnelle Hilfe
In den meisten Fällen setzt sich die Polizei nach einem Einsatz vor Ort mit der Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking, kurz KIS, in Verbindung und vermittelt die Kontaktdaten der betroffenen Person weiter – wenn diese ein Beratungsangebot wünscht. Oft ist das der Fall, die Anfragen an die KIS häufen sich: Im ganzen Jahr 2021 kamen 616 Personen auf diesem Weg zur Beratungsstelle, im ersten Halbjahr 2023 sind es bereits 624. Beraten wird in der KIS jede Person, unabhängig vom Geschlecht. Ein Großteil der Betroffenen sind aber Frauen, häufig in Begleitung von Kindern. Die ersten wichtigen Fragen werden aufgrund der hohen Nachfrage inzwischen schon vorab telefonisch geklärt, berichtet Sophie*, Mitarbeiterin bei der KIS: »Gibt es Verletzungen? Braucht es rechtsmedizinische Untersuchungen? Soll ein Näherungsverbot erwirkt werden?«. Eigentlich gibt es ausreichend gesetzliche Möglichkeiten, eine Frau vor häuslicher Gewalt zu schützen – diese soll die KIS den Betroffenen aufzeigen. »Der breiten Bevölkerung ist gar nicht bewusst, dass auch diese ambulante Beratung extrem wichtig ist und nur ein Teil der Frauen schlussendlich ins Frauenhaus zieht«, erklärt Sophie. Doch dieser wichtigen Arbeit könnten sie und ihre Kolleginnen inzwischen nicht mehr ausreichend nachkommen: »Wir müssen schauen, wer unsere Beratung am dringendsten benötigt. Der Anteil an Hochrisikofällen hat stark zugenommen – das sind die Menschen, die real in der Gefahr schweben, getötet zu werden.« 55 solcher Einstufungen gab es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres in Leipzig. Für die Mitarbeiterinnen der KIS extrem belastende Arbeitsrealität: »Das bedeutet, dass wir zum großen Teil mit diesen Extremfällen beschäftigt sind. Wir haben eine riesige Verantwortung und müssen gleichzeitig entscheiden, wen wir unterstützen können und wen nicht. Das ist furchtbar für uns.« Damit ist die KIS Opfer ihres eigenen Erfolgs: Immer mehr Betroffene suchen sich Hilfe, doch für deren Anfragen reicht das bestehende Personal nicht.
Stadt und Land, die das Projekt gemeinsam finanzieren, wissen über die Situation Bescheid, wie uns alle Seiten bestätigen. Es gibt regelmäßige Arbeitsgespräche auf Landesebene und einen intensiven Fachaustausch mit der kommunalen Sozialverwaltung, heißt es vom Justizministerium. Dennoch wandte sich das Netzwerk gegen häusliche Gewalt und Stalking zur letzten Sitzung des Leipziger Stadtrats vor der Sommerpause mit einem offenen Brief an die Politik, wies auf die Situation in den Schutzhäusern und Beratungsstellen hin und forderte vier weitere Vollzeitstellen sowie die Finanzierung zusätzlicher Räumlichkeiten. »Es heißt immer nur, dass Stadt und Land im Gespräch sind. Mehr passiert nicht«, schätzt Sophie ein. Diese Forderungen würden nur die aktuelle Situation abfedern, gehe es so weiter wie bisher, brauche die KIS bald noch mehr Personal und finanzielle Mittel.
Modellprojekt entlastet Frauenhäuser
Eine weitere Möglichkeit, die schnelle Hilfe bieten kann, ist die Zentrale Sofortaufnahme in Leipzig (Sofa) für alle Hilfesuchenden, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Sie wurde im April 2021 als Modellprojekt der Stadt und des Landes Sachsen geschaffen und teilt sich die Räumlichkeiten im Moment noch mit dem vierten Frauen- und Kinderschutzhaus, das im Zuge der Corona-Pandemie eröffnet wurde. Die Sofa soll als Clearing-Stelle dienen, also vorab klären, ob ein Aufenthalt im Frauenhaus überhaupt in Frage kommt, und Betroffene an die entsprechenden Hilfsangebote vermitteln. Das Telefon – 03 41/55 01 04 20 – ist rund um die Uhr besetzt, Mitarbeiterinnen stehen zu jeder Zeit für Schutzsuchende bereit. Innerhalb von vier Tagen soll dann eine Lösung für sie gefunden werden – so dass die Frauen die Sofa verlassen können. »Wir setzen uns mit den Frauen zusammen und lassen uns erzählen, was passiert ist. Wir versuchen herauszufinden, wie hoch die Gefährdungslage ist, wie sicher die Frau in Leipzig ist und ob sie vielleicht sogar in ein Frauenhaus außerhalb von Sachsen muss«, berichtet Sofa-Mitarbeiterin Ida*. Schließlich werde konkret besprochen, wie weitere Schritte aussehen könnten: ob die Betroffenen ins Frauenhaus wollen oder zu Bekannten können. Oder ob die vier Tage in der Sofa als kurze Auszeit genügen. In der Theorie gibt es viele Möglichkeiten neben einem Platz im Frauenhaus oder einem Zurück in die Gewaltbeziehung. Das Hilfesystem in Leipzig bietet zum Beispiel Plätze in Mutter-Kind-Einrichtungen, Psychiatrien oder Suchteinrichtungen. »Für einige Frauen ist aber tatsächlich auch die Obdachlosigkeit die beste Option«, berichtet Ida. »Wir begreifen die Frauen natürlich als mündige Personen, die für ihre Situation die beste Entscheidung treffen.«
Doch so, wie der Ablauf idealerweise sein sollte, ist er selten – zu viele Unwägbarkeiten. Oft kommen Betroffene nur mit dem Allernötigsten in die Sofortaufnahmestelle. Die Mitarbeiterinnen kümmern sich dann um die Grundversorgung der Frauen: Kleidung und Lebensmittel. Wenn Verletzungen vorliegen, müssen diese so schnell wie möglich rechtsmedizinisch dokumentiert werden, um bei späteren Gerichtsverhandlungen als Beweis für einen gewalttätigen Übergriff zu dienen. Oft wird versucht, den Frauen anwaltlichen Beistand zu organisieren, um ein Annäherungsverbot für den Täter zu erwirken oder weil es ums Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder geht. »Oder es betrifft das Strafrecht, wenn eine Anzeige bei der Polizei erfolgt«, berichtet Ida.
All das müsse quasi gleichzeitig passieren. Die dafür nötige Zusammenarbeit im Netzwerk mit der Polizei und dem Gesundheitssystem funktioniere gut, berichtet Ida. »Gerade bei ärztlichen Untersuchungen wäre es aber wünschenswert, dass traumatisierte Frauen direkt behandelt werden.« In der Realität sitzen Frau und Sofa-Mitarbeiterin manchmal stundenlang in der Notaufnahme. »Oft ist man dabei sogar in der Doppelrolle für die Frau in ihrer konkreten Belastungssituation da und hat noch das Notruftelefon in der Tasche«, beschreibt Ida eine solche Situation. Auch die Weitervermittlung an längerfristige Unterkünfte habe viele Tücken: Hat die Frau Kinder dabei, die in die Schule gehen, muss möglichst eine Unterkunft in der Nähe gefunden werden – aber nicht zu nah an der Wohnung des Täters. Und wenn es eine solche Unterkunft gibt, muss dort noch ein Platz frei sein. Oft müssen die Angestellten der Sofa viele Häuser abtelefonieren, bis klar ist, wo die Frau als Nächstes unterkommt. Ein freier Platz in der Nähe ist eher Zufall. Viele Schutzeinrichtungen bieten zwar Familienplätze an, haben aber eine Grenze festgelegt, für wie viele Kinder Platz ist oder bis zu welchem Alter jugendliche Söhne mit aufgenommen werden.
Über 300 Menschen nicht helfen können
Im vergangenen Jahr musste die Sofa aber 248 Frauen und 315 Kinder abweisen, im ersten Halbjahr 2023 bereits 168 Erwachsene und 152 Kinder – aus Platz- oder Personalmangel. Ein Evaluierungsverfahren des Freistaates habe laut Sofa ergeben, dass es eine Sozialarbeiterin und eine Erzieherin mehr brauche sowie jeweils zehn Stunden mehr für Verwaltung und Leitung der Aufnahmestelle. »Es ist nicht viel und gleichzeitig könnte man so viel helfen«, sagt Ida. Doch die Forderungen werden nicht erfüllt. Die Stadt Leipzig verweist auf unsere Anfrage darauf, dass sich solcher Bedarf aus dieser Evaluation im letzten Jahr nicht ableiten lasse.
»Es kann sein, dass Leipzig ganz gut ausgebaut ist, aber auf jeden Fall nicht annähernd so, dass wir das Gefühl haben, wir können den Frauen ausreichend helfen«, sagt Ida. Jede abgewiesene Frau bedeute für die Mitarbeiterinnen einen potenziellen Femizid. Zum Redaktionsschluss sind laut dem Landesfrauenrat im Jahr 2023 drei Frauen in Sachsen durch ihren Partner getötet worden. »Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, wann es eine Frau trifft, die bei uns angerufen hat. Das ist ein Scheißgefühl«, sagt Ida.
Weil die Sofa wie auch das vierte Frauen- und Kinderschutzhaus von Stadt und Land finanziert wird, hätten Leitung und Verwaltung »unfassbar viel Mehraufwand«, sagt Ida. »Das Modellprojekt ist eine megagute Idee. Die Umsetzung geht so.« Immerhin: Für 2024 soll von der Stadt eine zusätzliche halbe Stelle gefördert werden. Das sächsische Justizministerium fördert zudem den Umzug der Einrichtung, der die Arbeitsbedingungen »erheblich verbessern« soll. Wie jedes Modellprojekt wird die Sofa regelmäßig evaluiert und nachgebessert – bis schließlich entschieden wird, ob es in den regulären Betrieb überführt oder beendet wird.
Für die Frauenhäuser in der Stadt ist die Sofortaufnahmestelle zweifelsohne eine Entlastung. Maren ist Sozialarbeiterin und arbeitet in einem Leipziger Frauenschutzhaus. Wenn bei ihr im Schutzhaus Frauen mit vielen Kindern ankommen, werde es zunächst eng: »Wir bringen erst mal die Leute in Sicherheit, und dann gucken wir, wie wir Platzkapazitäten schaffen. Aber grundsätzlich ist das System nicht ausgelegt für Menschen mit vielen Kindern«, erzählt sie. Und so banal es klingt: Ähnlich ist es mit Haustieren. Zu ihnen gebe es oft große emotionale Verbundenheit, und in Gewaltsituationen litten oft auch Tiere unter Misshandlung – in die Sofa dürfen sie mitgebracht werden, bei den Frauenschutzhäusern ist das nicht immer möglich.
Keine Kapazitäten für besondere Bedarfe
»Es gibt aber auch unterschiedlichste Anfragen von Personen, die wir gar nicht bedienen können«, erzählt Maren: Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Pflegebedarf, Mütter, die ein Kind mit einer Behinderung haben. Solche Fälle können in Marens Frauenhaus nicht aufgenommen werden. »Wir haben kein Pflegebett, wir haben keine sanitären Einrichtungen, die darauf ausgelegt sind.« Außerdem sei es nicht möglich, einen Pflegedienst für die Personen kommen zu lassen, denn das würde die Anonymität des Schutzhauses gefährden.
In Leipzig gibt es unter den vier Schutzeinrichtungen zwei, die offiziell barrierefreie Angebote haben – aber nicht gänzlich barrierefrei sind, sachsenweit gibt es laut der Frauenhaussuche der Zentralen Informationsstelle autonomer Frauenhäuser (ZIF) lediglich in Chemnitz zwei weitere (von insgesamt 17 im ganzen Bundesland). Deren Barrierefreiheit beschränkt sich auf Gehbehinderungen. Bei Frauenschutzhäusern beziehe sich das Label »Barrierefreiheit« laut Maren aber oft auf ein einziges Zimmer oder eine Wohnung. Und selten sind diese im Bedarfsfall dann auch frei, denn aufgrund des Platzmangels werden auch barrierearme Räume an Betroffene vergeben. In dem Frauenhaus, in dem Maren arbeitet, gibt es einige barrierefreie Bäder, was wenig nützt, da der Rest des Hauses nicht barrierefrei ist. Man müsste das Haus also umbauen, könne in einem Frauenschutzhaus aber nicht einfach wochenlang Handwerker im Haus haben – der Schutz der Anonymität ist dafür zu wichtig. Und Leipziger Altbauten lassen sich oft gar nicht barrierefrei umbauen, auch wenn dafür vom Bund und vom Freistaat Geld bereitsteht. Und unabhängig von der räumlichen Ausstattung der Einrichtungen fehle ihnen auch das Personal, um Personen mit erhöhtem Betreuungsgrad aufzunehmen. Wer in ein Frauenhaus geht, bewältigt seinen Alltag komplett selbstständig. Für eine ganzheitliche sozialpädagogische Betreuung von Menschen mit geistiger Behinderung oder Pflegebedarf sei das Personal gar nicht ausgebildet. Menschen, die von Hilfe im Alltag abhängig sind, erfahren jedoch auch Gewalt – sie sind sogar überdurchschnittlich häufig betroffen und das oft direkt durch die sie Pflegenden: »Überhaupt da anzukommen, wo das Hilfesystem ist, und dann auch noch Teil davon zu werden – da gibt es eine doppelte Barriere.«
Ein weiteres Problem für das Hilfesystem ist, dass mit häuslicher Gewalt häufig psychische und Sucht-Erkrankungen einhergehen. Es gibt in Leipzig aber nur Einrichtungen, die entweder für psychische und Sucht-Erkrankungen Hilfe anbieten oder für häusliche Gewalt – keine einzige für beides. Krankenhäuser seien aber keine anonymen Schutzräume für Menschen, die auch von häuslicher Gewalt betroffen sind, argumentiert Maren. Sie ärgert sich, dass von der Stadt das bestehende Angebot als ausreichend eingestuft wird, und betont, dass es Räume für genau diese Kombination braucht: »Wir setzen natürlich bedrohte suchterkrankte Menschen nicht auf die Straße. Aber du kannst akut psychotische Menschen oder akut konsumierende suchtkranke Menschen nicht einfach bei uns einziehen lassen, wo nebenan kleine Kinder sind. Wir haben auch den Kinderschutz zu gewährleisten.« Deutschlandweit gibt es laut der Frauenhaussuche der ZIF genau zwei Einrichtungen, die angeben, Frauen mit Suchtmittelabhängigkeit aufnehmen zu können. Die Stadt Leipzig verweist auf unsere Nachfrage dazu auf das Beratungsangebot der KIS sowie spezielle Beratungsangebote für Frauen sowie allgemeine Hilfsangebote für Suchterkrankungen und psychische Erkrankungen.
Wenn eine Frau einen Platz im Frauenhaus bekommt, ist angedacht, dass sie etwa vier Monate bleibt. Durchschnittlich bleiben die Frauen aber etwa acht bis neun Monate. Auch das zieht Probleme nach sich: Für Frauen, die über das Jobcenter finanziert werden, müssen Sonderanträge gestellt werden, Selbstzahlerinnen haben länger die finanzielle Doppelbelastung mit der Miete für ihre eigentliche Wohnung, zu der dann oft danach eine neue, natürlich teurere Wohnung kommt.
Während die vor Gewalt geflüchteten Frauen irgendwann das Frauenhaus verlassen, bleiben die Mitarbeiterinnen da: Sie kümmern sich um die nächsten Fälle, achten weiterhin genau darauf, dass niemand herausbekommt, wo sie arbeiten, um die Anonymität der Frauen zu gewährleisten. Ida sagt, sie wollte immer im Gewaltschutz arbeiten, Frauen helfen. Doch die Frage sei, wie lange das funktioniere, wenn die Mitarbeiterinnen überlastet sind. »Ich bin oft wütend. Das hilft, um nicht ohnmächtig zu sein.« Sophie von der KIS wünscht sich bessere Rahmenbedingungen für ihre Arbeit: »Das Dunkelfeld ist noch lange nicht aufgedeckt, eigentlich braucht es ein dynamisch wachsendes Hilfesystem.« Denn auch die Täter ändern ihr Vorgehen. Digitalisierte Gewalt nimmt zu: Mit Airtags zur Überwachung der Gewaltopfer oder Kameras, die im Haus aufgehängt werden. »Wir wissen, dass Gewalt über Generationen weitergegeben werden kann. Um diesen Kreislauf zu unterbrechen, sind wir nur ein Baustein. Eigentlich bräuchte es noch so viel mehr: Gruppenangebote, langfristige Beratungen, Therapieplätze …«, zählt Sophie auf. Und trotzdem: »Viele Menschen fragen mich, wie ich das überhaupt aushalte, mich den ganzen Tag mit Gewalt zu befassen. Aber man arbeitet ja auch mit Menschen, die etwas an ihrer Situation ändern wollen und die aufblühen, weil sie plötzlich Freiheiten haben, die sie lange nicht hatten.«