Beim Spaziergang durch den Chemnitzer Zeisigwald muss man heutzutage nicht mehr damit rechnen, dass plötzlich ein Zittern durch die Bäume geht, ein Grollen ertönt und der Beutenberg explodiert. Es ist inzwischen rund 291 Millionen Jahre her, dass hier statt Buchen Farne und tropische Urwaldriesen wuchsen, die eines Tages unter der Wucht eines Vulkanausbruchs ins Schwanken gerieten und schließlich von Asche und Geröll – den pyroklastischen Strömen – begraben wurden. Doch im Untergrund blieben die Zeugen erhalten: als Fossilien und als rotes Gestein, genannt Hilbersdorfer Porphyrtuff.
Wer diesen Schätzen näherkommen will, kann das mit einer herrlichen Herbstwanderung im Zeisigwald verbinden. In Zusammenarbeit mit dem Chemnitzer Naturkundemuseum hat die Museologie-Studentin Yasmin Schmidt die fast fünf Kilometer lange Route entwickelt. Mit einer digitalen Karte, die Weg, Fakten zu verschiedenen Punkten und Informationen zu Bushaltestellen enthält, ist es ein Leichtes, den Spuren des Vulkanausbruchs zu folgen.
Los geht es am Polizeipräsidium an der Hainstraße, hinter dessen Sportplatz der Zeisigwald beginnt. Die Route folgt der Forststraße und trifft gleich zu Beginn auf den großen Spielplatz, der das Ausgrabungsthema für Kinder aufgreift. Wer möchte, kann an dieser Stelle von der Route abweichen, in den Wald abbiegen und am Bach rechts weiterspazieren. Beide Wege erreichen die Zeisigwaldschänke am Steinweg, wo man täglich von 12 bis 17 Uhr im Biergarten einkehren kann. Neben Bier und Bratwurst verkauft der Imbiss auch gutes, selbst gemachtes Eis. Fotografen zieht es wegen der Hochzeitskapelle zur Schänke – sie ist nicht nur im Herbst ein märchenhaftes Motiv.
Die Route macht nun einen Abstecher zu zwei Highlights: dem Findewirthschen Steinbruch und den Teufelsbrücken. Zwar sind seit über hundert Jahren keine Arbeiter mehr mit dem Abbau des Porphyrtuffs beschäftigt, aber seine Farbe und Struktur treten hier offen zutage. Der Rochlitzer Porphyrtuff, der als Welterbe-Stein ausgezeichnet wurde, ziert auch in Leipzig zahlreiche Gebäude, darunter das Grassi-Museum. Beide Tuffe zeichnet aus, dass sie leicht zu verarbeiten sind und deshalb – vor der Verbreitung von Beton – als beliebtes Baumaterial in Größenordnungen abgebaut wurden. Laut dem Museum für Naturkunde waren im Sommer 1888 etwa 1.500 Arbeiter in vierzig Steinbrüchen entlang der Dresdner Straße in Chemnitz zugange. Die Teufelsbrücken, heute ein düsterer Lost Place, wurden damals angelegt, um den Zugangsweg zum Steinbruch zu sichern.
Über die Dresdner Straße nähern wir uns dem Fundort des zweiten Schatzes. Vorbei an mit Tuff verzierten Villen führt die Route zur Frankenberger Straße, wo zwischen 2008 und 2011 die erste wissenschaftliche Grabung nach versteinerten Bäumen stattfand. Über 2.000 Funde wurden dort gemacht – nicht nur Pflanzen, sondern auch Insekten und sogar ein kleiner Saurier.
Um die Ecke liefert ein Denkmal einen ersten Blick auf die Gestalt versteinerter Bäume. Für den Versteinerten Wald lohnt noch ein Abstecher. Mit dem Bus geht es von der Frankenberger Straße zurück ins Zentrum, wo im ehemaligen Kaufhaus Tietz, direkt an der Zentralhaltestelle, die prächtigsten Fundstücke stehen. Im Naturkundemuseum im ersten Stock warten nicht nur weitere Exemplare und Fundstücke. Dort bricht auch mehrfach am Tag der Beutenberg wieder aus – nur auf der Leinwand, versteht sich. Ein Highlight für Kinder ist auch die Sandkiste, in der sie eine Landschaft bauen und selbst einen Vulkan ausbrechen lassen können.
Wer nun noch Energie hat, kann die sechs Kilometer lange zweite Tour anschließen, die Beispiele für den Bau mit Porphyr aufsucht, etwa die Schlosskirche. Sie führt außerdem an der aktuellen Grabungsstätte auf dem Sonnenberg, dem »Fenster in die Erdgeschichte«, vorbei. Dieses ist aber nur zu öffentlichen Veranstaltungen zugänglich. Wer also sehen möchte, wie mitten im Wohngebiet ein Urwald aus längst vergangenen Zeiten freigelegt wird, sollte sich etwa die jährliche Museumsnacht im Mai und den Tag des Geotops im September vormerken. LAURA KAISER
> Die Wanderkarte können Sie hier einsehen. Mehr Informationen finden Sie beim Naturkundemuseum Chemnitz.