Über 30 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland ehrenamtlich. Auch auf bundespolitischer Ebene soll das Ehrenamt deshalb gefördert werden. Im Koalitionsvertrag von 2021 steht, dass die Bundesregierung eine neue Engagementstrategie verabschieden soll. Damit sollen »einfache, unbürokratische, nachhaltige Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Ehrenamt einfach und niederschwellig zu ermöglichen«. Beim Erarbeiten dieser Strategie soll die Zivilgesellschaft eingebunden werden: Vereine, Organisationen und Einzelpersonen können bis Ende des Jahres ihre Ideen unter www.zukunft-des-engagements.de einreichen, wie das Ehrenamt attraktiver werden kann.
Daran beteiligt hat sich auch der Stadtsportbund Leipzig, der rund 400 Sportvereine betreut, die mehrheitlich ehrenamtlich organisiert sind. Für die Ehrenamtlichen bietet der Sportbund mehrmals im Jahr einen Stammtisch, um den Austausch zwischen den Vereinen zu fördern. In März wurde dieser Termin genutzt, um Ideen für die neue Engagementstrategie zu entwickeln.
»Besonders spannend fand ich die Forderung nach fünf Tagen Bildungsurlaub, wie er in anderen Bundesländern bereits verankert ist«, erzählt Katja Pausch, die Verantwortliche beim Stadtsportbund Leipzig. Mit solchen Angeboten solle lebensnah Wertschätzung für das Engagement ausgedrückt werden. Diese Wertschätzung könnte sich auch in kostenlosem ÖPNV, Rentenpunkten und Bezuschussung von Ausbildungen ausdrücken. Von der neu aufgelegten Strategie der Bundesregierung erhofft sich Pausch, dass sie die Themen bürgerschaftliches Engagement, Ehrenamt und seine Bedeutung wieder mehr in den Fokus rückt: »Wir bemerken schon seit Langem Probleme bei der Besetzung von Vorstandspositionen und dem Finden von neuen Trainer:innen. Das mittelfristige Übernehmen von Verantwortung scheint immer schwieriger zu werden.« Der Stadtsportbund bietet deshalb regelmäßig Seminare an, um für neue Engagementformen zu sensibilisieren. Die Engagementstrategie könnte laut Pausch das Thema gesamtgesellschaftlich wieder in den Fokus rücken.
Auch die Stadt Leipzig beschäftigt sich mit der Frage, wie das Ehrenamt attraktiver gestaltet werden kann: Bereits im April 2022 hatte sich der Runde Tisch Gemeinwohl auf Initiative von Oberbürgermeister Burkhard Jung, der Handelshochschule Leipzig sowie der evangelischen und katholischen Kirche gegründet. Mit an diesem Tisch sitzen Vertreterinnen und Vertreter aus der Wirtschaft und der Stadt. Auf Vorschlag des Tisches wurde das Projekt »Beteiligungsrat Gemeinwohl« initiiert. Im Juni 2023 kamen so 30 Erwachsene und 20 Jugendliche aus der ganzen Stadt zusammen. Gemeinsam überlegten sie, wie bürgerschaftliches Engagement besser gefördert werden könnte. Nach dem Modell des Bürgerrates wurden zufällig 200 Personen aus dem Melderegister ausgewählt und eingeladen. Das Besondere in Leipzig: Wer sich nicht zurückmeldete, wurde aktiv aufgesucht. Dieses Vorgehen sei durchweg positiv aufgenommen worden, wie es in der Informationsvorlage an den Stadtrat heißt. Die meisten Menschen hätten sich sehr wertgeschätzt gefühlt, acht weitere konnten so auch von der Teilnahme überzeugt werden. »Beim Aufsuchen haben sich teilweise Bedarfe für Barriereabbau herauskristallisiert, so dass Menschen die Teilnahme ermöglicht wurde. Außerdem wurde für eine möglichst inklusive Moderation und Rahmengestaltung gesorgt«, heißt es aus dem Referat für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt, das den Beteiligungsrat durchgeführt hat.
Um diesen möglichst inklusiv und divers zu gestalten, konnte bei der Anmeldung auch angegeben werden, ob Unterstützung wie Kinderbetreuung, Fahrdienst oder Pflegeersatz gebraucht werde. Fast ein Viertel der Teilnehmenden nahm diese Unterstützungsmöglichkeit in Anspruch. Am Ende entstand so eine Gruppe aus Studierenden und Schülerinnen, Rentnern, Arbeitslosen und Berufstätigen im Alter zwischen 15 und 77 Jahren.
Die bunte Mischung hat offenbar gewirkt: In vier Treffen wurden zwölf Ideen erarbeitet, wie bürgerschaftliches Engagement in Leipzig aktiv gefördert werden könnte. Während des Prozesses habe es insgesamt sehr positive Rückmeldungen zu dem Projekt gegeben, auch die geringe Austrittsrate der Teilnehmenden sei ein aussagekräftiges Zeichen, heißt es aus dem durchführenden Referat.
Die fertigen Empfehlungen werden in der Ratssitzung Mitte November an den Stadtrat und den Oberbürgermeister übergeben. Vertreterinnen und Vertreter des Beteiligungsrates werden die Ergebnisse persönlich vorstellen.
Der Beteiligungsrat schlägt zum Beispiel die Bereitstellung kostenloser, barrierefreier Räume in den Stadtteilen vor, die von verschiedenen Gruppen genutzt werden können. Ebenso sollte der Zugang zu Materialien erleichtert werden. Einen Fokus legt der Beteiligungsrat auch auf das Thema öffentliche Wertschätzung und finanzielle Unterstützung: Alle Forderungen können im Ratsinformationssystem der Stadt eingesehen werden. Den Vorschlägen liegen zusätzlich Begründungen bei, warum die Beteiligten diese Ideen für sinnvoll halten.
Wie, wann und ob die Vorschläge umgesetzt werden, liegt nun bei der Stadtverwaltung. Bis spätestens März 2024 muss ein Bericht vorliegen, wie mit den Ideen weiter verfahren wird. Doch auch für Organisationen und Arbeitgeber könnten die Vorschläge interessant sein, um ehrenamtliches Engagement zu unterstützen. Was die Ergebnisse für das Ehrenamt in Leipzig bedeuten, muss sich noch zeigen.