Eine Frau steht an einer Ampel und wird von einem fremden Mann bedrängt. Er stellt ihr unangenehme Fragen und macht unangebrachte »Komplimente«. Sie fühlt sich unwohl, nimmt Umwege, um solche Situationen künftig zu vermeiden. Diese Schilderungen seien keine Einzelfälle, sie passieren sehr oft – erzählt Genka Lapön, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt. Sie liest anlässlich des Starts der Kampagne gegen Catcalling Erfahrungsberichte von Betroffenen vor, die in ihrem Alltag übergriffiges Verhalten erfuhren.
Nahe des Wilhelm-Leuschner-Platzes verkündeten am Donnerstagnachmittag die Vertreterinnen und Vertreter der Stadt ihre neue Kampagne gegen Catcalling. Dieser Begriff beschreibt sexualisierte Gewalt im öffentlichen Raum in Form von verbalen Übergriffen wie Hinterherpfeifen und -rufen. Auf den vier Plakaten der Kampagne zeigen sich die Auswirkungen für Betroffene: das Wechseln der Straßenseite, ein Verzicht auf bestimmte Kleidung oder das Meiden von Orten oder Veranstaltungen, um potenziellen Übergriffen aus dem Weg zu gehen.
Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) leitete feierlich den Beginn der Kampagne ein und bedankte sich für den Antrag des Jugendparlaments, durch den die Aktion angestoßen wurde. Catcalling sei nicht nur ein Begriff, sondern eine Haltung, erklärte Rosenthal. Die Kampagne richte sich vor allem an Täter, die ihr Verhalten ändern müssten, um den öffentlichen Raum für alle angstfreier zu machen. Lapön beschrieb, wie Täter manchmal gar nicht ihr Verhalten als Übergriffe verstehen.
Leon Heinrich, Vertreter des Jugendparlaments und Initiator der Kampagne, hielt fest, dass die anderthalb Jahre vom Antrag bis zur Umsetzung zwar ein langer Weg waren, er allerdings stolz auf die gute Zusammenarbeit und die Umsetzung der Plakatkampagne sei. Während des Prozesses sei klar geworden, dass Catcalling als generationenübergreifendes Problem erst einmal erklärt werden müsse, weshalb sich die Kampagne an die Täter richte. Warum er diesen Antrag damals im Stadtrat eingereicht habe? Weil er eine »kleine Schwester habe, eine Freundin und viele Freundinnen, die immer wieder von alltäglichen, sexualisierten Übergriffen in der Öffentlichkeit berichten« und dadurch ihr Verhalten anpassen mussten.
So betont Heinrich, dass diese Verhaltensänderung nicht die Schuld der Betroffenen sei und auch sie sich Hilfe suchen können. Zwar sei es schwer, als Stadt Catcalls zu begegnen, da es bisher keine Möglichkeit gebe, die Vorfälle zur Anzeige zu bringen. Jedoch sei es eben wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Verhalten nicht tolerierbar sei und man Partei für die Betroffenen ergreifen müsse. Die Plakate werden in den nächsten zwei Wochen in allen Bahnen und Bussen der Leipziger Verkehrsbetriebe sowie auf den Werbetafeln im Innenstadtbereich gezeigt.
> Auf den Plakaten finden sich QR-Codes, die zur Kampagnenseite der Stadt führen.