1944, kurz bevor er nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde, vertonte Viktor Ullmann Rainer Maria Rilkes damals außerordentlich populäre Soldatenballade »Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke«. Er wählte dafür die Form des Melodrams, bei der das Gedicht nicht gesungen, sondern gesprochen wird und das Klavier den Text motivisch-thematisch untermalt, die Handlung expressiv ausdeutet und nachzeichnet. Dietrich Henschel und Elena Bashkirova hatten dieses Werk zurecht an den Schluss des Konzerts gesetzt. »Reiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag…« heißt es zu Beginn bei Rilke. Der junge Fahnenträger (Cornet) zieht in den Krieg (1663 gegen die Türken), erlebt in zwölf zum Teil archaisch anmutenden Episoden Soldatenalltag, Kameraden-Freundschaft, Grauen, Einsamkeit, Erotik, und stirbt einen letztlich sinnlosen Tod auf dem Schlachtfeld – am Ende weint eine alte Frau. Die ausgesprochen farbige, sinnliche und expressive Musik des Schönberg-Schülers Viktor Ullmann lässt Rilkes sprachschönes Gedicht zu einem universell gültigen Gesamtkunstwerk werden, jenseits des Zeitgeists. Auch Gustav Mahlers Lieder »Wo die schönen Trompeten blasen« und »Revelge«, beide aus der Sammlung »Des Knaben Wunderhorn«, handeln vom Krieg und gehören zu den acht Liedern Mahlers (von insgesamt vierundzwanzig), die vom Soldatenleben berichten. Ersteres ist ein herzzerreißendes Lied, in dem der junge Soldat Abschied nimmt von seiner Liebsten, um in den Krieg zu ziehen, also, in den Tod. »Revelge« ist vielleicht Mahlers extremstes Lied, das grelle «Tralali, Tralalaey, Tralala« des sterbenden Soldaten erklingt noch über den Tod hinaus.
Die fantastischen Musiker, die das Programm in Leipzig vorstellten, der Bariton Dietrich Henschel und die Pianistin Elena Bashkirova, sind ein eingespieltes Team, sie haben das Programm unter anderem schon beim Festival in Jerusalem gespielt. Der Auftritt in Leipzig war ein Geschenk für das Publikum, auch wenn ein größerer Saal als der Salon des Mendelssohn-Hauses geeigneter gewesen wäre für diese, als Orchesterlieder konzipierten, großen Werke. Nicht zuletzt für das Herzstück des berührenden Abends, Mahlers Rückert-Vertonung »Ich bin der Welt abhanden gekommen« wäre ein wenig mehr Raumklang für das verinnerlichte, vermeintlich aus dem Moment heraus entstehende Lied günstig gewesen. Akustisch unproblematisch und in schönster Tradition erklangen zu Beginn Lieder von Felix Mendelssohn und seiner Schwester Fanny Hensel, von Michael Barenboim für Violine gesetzt und mit intensivem Ton dargeboten. Ein großes, zum Teil beklemmendes Konzert, das vom Publikum mit langanhaltendem Beifall honoriert wurde.