Bei dieser »Zauberflöte« kann man den gesungenen Text gut verstehen und der fördert Klischees zutage: »Sei standhaft, duldsam, und verschwiegen: kurz, sei ein Mann!«, singen die Knaben, während Sarastros Priester behaupten: »Ein Weib tut wenig, plaudert viel.« Es grassiert auch Rassismus, wenn Monostatos, »ein Mohr« laut Besetzungszettel, glaubt, er müsse Liebe meiden, »weil ein Schwarzer häßlich ist«! Und was ist mit den »Feuergluten« und »Wasserfluten«, die Tamino durchschreiten muss – ist das schon die vorweggenommene Klimakatastrophe? Kurz: Wie soll man den Text von 1791 mit so viel Interpretationsmaterial heute auf die Bühne stellen?
Regisseur Matthias Davids entscheidet sich statt für eine Regietheater-Lesart für eine hier geglättete, da ironische Version, die am Ende unterhalten und »familienfreundlich« sein will. Diese Doppelstrategie geht auf und macht die »Zauberflöte« ziemlich smart. Aus »Weib« wird beispielsweise »Frau«; aber immer lassen die Protagonistinnen und Protagonisten auch ironische Distanz als Haltung zum Text durchscheinen.
Zu Beginn kommt Prinz Tamino auf die Bühne, der beim Jagen plötzlich auf eine Schlange trifft. Eine animierte Kobra wird auf die fast bühnenfüllende Rückwand projiziert, während Tamino sich zum Kampf rüstet. Sein Bogen hat weder Sehne noch Pfeil. Trotzdem zielt er in den Schnürboden, trifft, herunter fällt ein Schlangenkopf. Mehreres geht hier durcheinander: Wie kann ein Bogen ohne Sehne schießen; wie kein Pfeil einen Kopf abschneiden? Dazu zeigt ein Video eine Schlange wie aus einem vorsintflutlichen Computerspiel. Später kommen animierte Originaltiere, Elefant, Tiger & Co. aus dem Leipziger Zoo dazu. Das kann das Publikum als Trash entziffern.
Die Kostüme (Susanne Hubrich) passen dazu, sind fantasievoll und allein schon den Besuch wert. Die Knaben werden als Wunderkinder auf Zeitreise vorgestellt: vom Rokoko-Mozart über Charles Chaplin bis Harry Potter. Die drei Damen sind wie Seeräuber-Jennys auf Beutetour. Atemberaubend das leuchtende Sternenkleid der nächtlichen Königin, das in ihrer Auftrittsarie aus dem Schnürboden herabfährt, während die Königin quasi privat erst mal ihr Leid klagt – und sich ihr Ornat erst anlegen lässt, um Tamino den Auftrag zu verkünden: Rette meine Tochter! Das ist Personenregie auf den Punkt.
Die leere Bühne bietet viel Platz zum Spiel. Handlungsorte wechseln schnell mit dem jeweiligen Videohintergrund, der auch wieder gewollt trashig rüberkommt: Sonnenuntergang überm Meer, Wald, Wolken – so kennen wir das von Zoom-Meetings. Es ist unsere Welt, die uns Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau samt mehrerer Spiegel vorhält.
> »Die Zauberflöte«: 23.12., 19 Uhr, 25.12., 17 Uhr, Oper