Vor zehn Jahren begann die Intendanz von Enrico Lübbe am Schauspiel Leipzig. Eröffnet wurde sie mit mehreren Produktionen, von denen »Und dann« die Kritik am meisten überzeugte. Das Stück stammt von Wolfram Höll, damals am Beginn seiner Dramatiker-Karriere. Mit »Niederwald« kommt nun ein Auftragswerk Hölls in die Bosestraße und wird von Elsa-Sophie Jach inszeniert, die man in Leipzig durch »Für meinen Bruder« kennt.
Der 1986 in Leipzig geborene Wolfram Höll studierte Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut Biel und Scenic Arts Practice an der Hochschule der Künste Bern. Mit erwähntem »Und dann« gewann er 2012 den Nachwuchspreis des Heidelberger Stückemarkts und – nach der Leipziger Uraufführung des Werks durch Claudia Bauer – 2014 den Mülheimer Dramatikerpreis. Den konnte er zwei Jahre darauf erneut einheimsen: »Drei sind wir« war daraufhin als Uraufführung am Schauspiel Leipzig zu sehen.
»Disko« nannte der in der Schweiz lebende Autor konsequent sein für die Nebenspielstätte Diskothek konzipiertes Auftragswerk. Auch dieses verweigerte sich der Eindeutigkeit. Doch bargen dieses Mal erratische Schichten aus Satzverkettungen ein dunkles Geheimnis. Als der Beat in der auf Maß und Klang durchkomponierten Sprache – einzig sie wiederzugeben war Absicht von Regisseur Ivan Panteleev – abklang, zeigte sich eine dünne Narration. Die trug nicht durch den Abend.
Neue Chance, neues Glück: Der vierte Streich stellt eine Flucht ins Gebirge dar. Ein Trauender versucht, den Verlust seiner Frau dadurch zu kompensieren, dass er mit seiner Tochter und seiner Mutter in die Schweizer Alpen verreist. Hier sind sie dem Himmel nah, aber auch die Geister der Vergangenheit sind nicht weit. Das Gebirgspanorama ist jedenfalls ein idealer Ort für Hölls Figuren, die immer seltsam entrückt wirken, nicht von dieser Welt sind. Für »Niederwald«, das Hölls biografischen Bogen von Sachsen in die Schweiz nachzuvollziehen scheint, wird das Gleiche gelten. Die Geschichte einer Überwindung, von Migration und Ankommen, Gletschersterben und Pistentod ist wie gemacht für eine Alpenkulisse à la »Der Zauberberg«.
> »Niederwald«: 26.12., 20 Uhr, Schauspiel