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Kultur

»Wunderbare Musik, seit 200 Jahren ungehört«

Das Leipziger Gellert-Ensemble widmet sich der Aufklärung und Empfindsamkeit – auch in seinem Weihnachtskonzert

  »Wunderbare Musik, seit 200 Jahren ungehört« | Das Leipziger Gellert-Ensemble widmet sich der Aufklärung und Empfindsamkeit – auch in seinem Weihnachtskonzert  Foto: Dirk Brzoska

Zwischen 20 und 30 Weihnachtsoratorien bietet die durchschnittliche Leipziger Saison. Durch die Fokussierung auf wenige immer wieder repetierte Meisterwerke bleibt naturgemäß vieles andere ungehört. So ist im heutigen Konzertbetrieb beispielsweise die Zeit zwischen Johann Sebastian Bach und Wiener Klassik kaum vertreten. Dabei war das eine spannende Periode des musikalischen Aufbruchs, voller Versuche und neuer experimenteller Formen. Zu hören ist dieser musikalische Zeitgeist beim nächsten Konzert des Leipziger Gellert-Ensembles im Alten Rathaus mit Weihnachtsmusik von Bachs Söhnen. Zu hören sind dann das Oratorium »Die Kindheit Jesu« aus dem Jahr 1773 von Johann Christoph Friedrich Bach (nach seinem Wirkungsort zumeist der »Bückeburger Bach« genannt) und Carl Philipp Emanuel Bachs Magnificat, 1749 erstmals aufgeführt.

»Die Zeit nach Bachs Tod wurde ja gerade in Bezug auf Kirchenmusik lange als Periode des Verfalls betrachtet. Nach dem Motto: ›Der hat keine Fugen geschrieben, kann also kein guter Komponist gewesen sein.‹ Wir haben das eigentlich nicht geglaubt und uns deshalb auf die Suche gemacht«, erklären Andreas Mitschke, Dirigent, und Christoph Koop, Dramaturg des Leipziger Ensembles. 2017 gründeten sie die Formation für historische Aufführungspraxis und widmen sich damit insbesondere der Musik der Aufklärung, der sogenannten Zeit der Empfindsamkeit. »Da gibt es viel wunderbare Musik, die 200 Jahre lang eigentlich niemand mehr gehört hat«, so Mitschke. Zu ihren Entdeckungen zählen unter anderem auch Werke der Bach-Söhne. Mitschke setzt die geplante Weihnachts-Kantate des »Bückeburger Bach« auf einen Text von Herder ins Verhältnis zu einer typischen Kantatenform von Vater Bach. »Die Kindheit Jesu« beschreibt er als eine Kantate in aufgebrochener Form, vieles wirke hier fragmentarisch: »Gleich zu Beginn gibt es nur einen einzigen Akkord, fast unvermittelt folgt darauf der Einsatz des ersten Gesangssolisten, ganz ohne Einleitung. Es spricht da ein Engel, während das Orchester gleichzeitig von sehr weit weg spielen soll. Es gibt hier nicht mehr den Evangelisten, wie wir ihn beispielsweise aus Bachs Weihnachtsoratorium kennen, alles Gesungene sind hier Betrachtungen und Empfindungen, die artikuliert werden, sehr emotional. Die Rezitative wandeln sich zu dieser Zeit in etwas Liedhaftes hinein. Es gibt auch keinen großen Schlusschor, sondern wiederum die retrospektive Betrachtung eines einzelnen Solisten.« Ganz anders sei dies beim zweiten Werk des Abends: »Carl Philipp Emanuel Bach schreibt sein Magnificat eher pompös, das ist irgendwo zwischen Händel und Mozart angesiedelt«, sagt Mitschke und betont seine Faszination für die so verschiedenen musikalischen Wege von Bachs Söhnen.

Mit dem Konzertprojekt möchte das Ensemble in Leipzig eine Reihe jährlicher Aufführungen von Weihnachtsmusik aus dieser Epoche etablieren. 

> Weihnachten bei den Bach-Söhnen: 30.12., 19 Uhr, Altes Rathaus
 


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