anzeige
anzeige
Kultur

Die Quittung für 15 Projekte

Der Leipziger Musiker Josen Bach hat sein zweites Album veröffentlicht

  Die Quittung für 15 Projekte | Der Leipziger Musiker Josen Bach hat sein zweites Album veröffentlicht  Foto: Christiane Gundlach

Wenn man in ein paar Jahrzehnten auf die gegenwärtige Ära der Spätmoderne zurückblicken wird, wird man sich möglicherweise verwundert fragen, warum um Himmels willen damals alle so umtriebig und ruhelos waren. Alle haben Projekte über Projekte und »decken sich mit Arbeit ein, die’s gar nicht gibt«, wie die Berliner Band Britta einst lakonisch feststellte. Und trotzdem beschleicht einen immerfort das Gefühl, dass es noch nicht reicht.

Der Leipziger Musiker und Multiinstrumentalist Josen Bach hatte vor einigen Jahren rund 15 Musikprojekte, als er beschloss, auch noch Die Quittung ins Leben zu rufen – Projekt Nummer 16. Daneben gibt er noch Musikunterricht, arbeitet als Theatermusiker und hat zwei kleine Kinder. »Ich mache eigentlich viel zu viel«, sagt er zu Beginn unseres Gesprächs süffisant: »Den Fokus finden, das ist auf jeden Fall gut.«

Doch den scheint er mit Die Quittung gefunden zu haben. Nach Jahren in musikalischen Nischen ist er mit seinem neuen Album »Einfrieren« nun das erste Mal an die mediale Oberfläche gespült worden. Denn während sein Debüt »Näher am Ergebnis« aus dem Jahr 2019 noch beim Leipziger Kleinstlabel Viel Erfolg mit der Musik erschien, wurde sein Zweitwerk nun bei Staatsakt veröffentlicht, so was wie der Nummer eins im Bereich deutschsprachiger, nischiger Popmusik: »Es fragen schon viel mehr Leute nach als vorher. Es gab viel Promo und auch schon einige Besprechungen und Interviews.«

In der Ankündigung zu »Einfrieren« fallen Namen wie Randy Newman, Danger Dan, Schnipo Schranke und Rio Reiser. Insbesondere der Vergleich mit Reiser hat offenbar verfangen: In nahezu jeder Besprechung zum neuen Album wurde er aufgegriffen. »Ich bin kein krasser Rio-Reiser-Fan, habe ihn erst relativ spät entdeckt. Die Stimme ist halt bei uns beiden, wie sie ist«, so Bach. Tatsächlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass seine raue Stimmfarbe an jene von Ralph Möbius erinnert, wie der 1996 verstorbene Reiser mit bürgerlichem Namen hieß. Anders aber als bei Reiser ist bei Die Quittung von agitatorischen und linear-erzählerischen Elementen nichts zu spüren: Dafür sind die Texte viel zu versprungen, assoziativ und flüchtig. Sie machen keinen Punkt, sondern fließen förmlich dahin. Ein Gedanke folgt dem nächsten, ohne dass er zwangsläufig auf dem vorherigen aufbaut. So ergibt sich im Laufe des Albums ein buntes und mitunter auch verwirrendes Mosaik an Eindrücken, Ideen und Bildern.

Bei genauerem Hinhören stellt sich ein weiterer Unterschied zu Reiser raus: Während dessen Songs oft aus wenigen, einfachen Grundakkorden bestehen (insbesondere auf seinen Soloalben mit Schlager-Assoziationen), ist der Quittungs-Sound deutlich komplexer und vertrackter. Kein Wunder, denn Bach hat einst Jazz-Schlagzeug studiert – in Dresden, wo er mit seinem spleenigen Background eher ein Paradiesvogel war: »An der Hochschule wurde immer gesagt, dass alles total offen und frei ist. Und dann habe ich mir gedacht: ›Ich schaue mal, wie frei das hier wirklich ist!‹ – Bei der Abschlussprüfung habe ich dann mit meiner Noise-Rock-Band gespielt – und eine ganz schlechte Note bekommen«, erinnert er sich. »Die Professoren waren total gespalten. Die ganzen klassischen Jazzer meinten: Das geht gar nicht. Dann gab es aber auch noch ein paar alte Jazz-Rocker, die das total geil fanden. Jäcki Reznicek – der Bassist von Silly und wirklich ein super Typ – hat mich dann später noch angerufen und gesagt, dass er das super fand.«

Bei Die Quittung ist Bach nun vom Schlagzeug ans Klavier zurückgekehrt – das Instrument, das er bereits in seiner Kindheit und Jugend gelernt hat. Ohnehin habe es ihn eigentlich schon bei seinen anderen Bandprojekten wie Schnaak, Warm Graves, P.A. Hülsenbeck oder der Frank-Zappa-Coverband Aufrichtiges Zappa öfter mal zu anderen Instrumenten hingezogen. Dass er sich dann doch häufig hinter dem Schlagzeug wiederfand, lag daran, dass er zumeist der Einzige war, der es adäquat spielen konnte.

Seine breit gefächerten musikalischen Skills hatten bei der Aufnahme zu »Einfrieren« nun den Vorteil, dass er den Großteil der Spuren selbst schreiben und einspielen konnte. Für die Live-Umsetzung hat er sich dagegen Verstärkung aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis geholt, so dass Die Quittung zukünftig in der Regel als Quartett zu erleben sein wird. Denn auf der Bühne alles zeitgleich zu spielen, das wäre dann doch zu viel für Bach. Spätmoderne hin oder her. 

> 17.1., 20 Uhr, Ostpol Dresden


Kommentieren


0 Kommentar(e)