Die Genossenschaften Rote Beete und KoLa Leipzig setzen sich in Taucha für eine solidarische und ökologische Landwirtschaft ein. Rote Beete baut ganzjährig Gemüse verschiedener Kulturen an, beliefert damit 700 Menschen. Mitglieder haben die Möglichkeit, sich aktiv am Betrieb zu beteiligen, indem sie Organisationsaufgaben übernehmen oder auf den Acker kommen. »So entsteht eine Brücke zwischen Stadt und Land«, sagte Simone von der Roten Beete. KoLa Leipzig hat seit Herbst 2021 35 Hektar zur Verfügung, mit denen die Genossenschaft bis zu 2000 Haushalt mit Bio-Gemüse und Obst beliefern kann. »Auf gewisse Weise holen wir die Menschen mit den Ackereinsätzen aus der Stadt zurück aufs Land«, sagt Jan von KoLa. Beide Landwirtschaftsbetriebe demonstrierten vergangen Freitag in der Leipziger Innenstadt. Mit dem kreuzer sprachen Simone und Jan über die Herausforderungen für ihre Genossenschaften, ihre Sicht auf die Bauern-Proteste und nachhaltige Landwirtschaft.
Warum nehmen Sie an den Protesten teil?
Simone: Wir möchten unseren Berufsstand vertreten, den Protest selbst mitgestalten und uns mit anderen Landwirt*innen solidarisieren. Was den Protest gegen die Subventionskürzungen angeht, stellen wir uns hinter die Landwirt*innen, denn eine Alternative zu Diesel für die wichtigen Produktionsmaschinen, die Traktoren, gibt es noch nicht. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, hier in die Forschung und Entwicklung zu investieren und eine Umstellung auf klimaverträglichere Antriebe zu unterstützen. Das kann nicht allein an den sowieso schon vom Preisdruck gebeutelten Bäuer*innen hängenbleiben. Bei den Demonstrationen der vergangenen Wochen waren auch demokratiefeindliche Bilder und Sprüche präsent und rechtsextreme Parteien und Bewegungen sind auf die Proteste aufgesprungen. Davon möchten wir uns klar abgrenzen und herausstellen, wie gefährlich dies für unsere Gesellschaft ist, gerade in der zur Zeit sehr angeheizten politischen Situation.
Jan: Wir hatten einfach genug von den beunruhigenden Bildern mit den Rechtsextremen, die bei den Bauern-Demos dominant waren. Dabei gibt es viele Bauern mit vernünftigen Anliegen, die sich gegen die rechte Hetze stellen und für eine klimagerechte Landwirtschaft kämpfen.
Was bedeutet das?
Jan: Die Landwirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten unter dem Preisdruck des Lebensmittel-Einzelhandels, Kürzungen und schwierigen Bedingungen gelitten. Die Wut ist verständlich. Eine Milliarde Euro wird bei der Agrardieselsubvention gestrichen, während für Kerosinsteuer, Dienstwagenprivilegien oder die Chipfabrik in Magdeburg Geld fließt. Es wird in Gruppen investiert, die es nicht so dringend nötig haben wie wir. Die Landwirtschaft benötigt umfassende gesellschaftliche Unterstützung und Programme.
Welche Herausforderungen erleben Ihre kleinen Genossenschaften im Vergleich zu größeren landwirtschaftlichen Unternehmen?
Simone: Um zeitgemäß, gesundheitsschonend und klimaverträglich produzieren zu können, brauchen wir gute Technik und Infrastruktur. Außerdem wollen wir auch für die Gärtner*innen faire Löhne zahlen. Die Kosten für Investitionen, das Zahlen fairer Löhne und für einen vielfältigen, klimaverträglichen Anbau sind sehr hoch im Vergleich dazu, was wir mit einem für viele Menschen möglichen Preis für Gemüse einnehmen können. Obwohl wir mit sogenannten Beitragsrunden arbeiten, bei denen jede und jeder seinen monatlichen Beitrag selbst bestimmen kann, solange am Ende das Budget vollständig gedeckt ist, müssen unsere Beiträge realistisch bleiben, denn auch die Mitglieder haben ihre finanziellen Zwänge, und auf eine Art bleibt der Vergleich zu den Supermarktpreisen. Das ist ja alles nichts Neues, also wurde ja schon viele Male gesagt, aber man hat das Gefühl, das kommt nicht wirklich an.
Wie lassen sich Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit für Sie verbinden?
Simone: Wir haben uns als Genossenschaft viele wichtige und gute Aufgaben gesetzt: vielfältiger saisonaler Anbau, gerechte Entlohnung, Förderung der Biodiversität, Hecken, Bäume, etc. – das alles muss finanziert werden. Da wir kein exklusives Gemüse produzieren wollen, ist das immer ein Spagat zwischen den uns wichtigen Werten, der Wirtschaftlichkeit des Betriebes und dem Anspruch »Gutes Essen für Alle« anzubauen. Hier ist es sehr schwer, nicht in die Wachstumsspirale zu geraten.
Welche Bedeutung haben staatliche Subventionen für Ihre Genossenschaft?
Simone: Die Flächenprämien machen für uns als relativ kleinen Betrieb mit neun Hektar nur einen verschwindend geringen Prozentsatz des Umsatzes aus. Kleine Betriebe erhalten also für die wichtige gesellschaftliche Aufgabe der regionalen Nahrungsmittelproduktion kaum Unterstützung. Für den Umbau zu einer klimaschonenden Landwirtschaft gibt es einige Förderungen für Umweltmaßnahmen. Allerdings sind diese für kleine, vielfältige Betriebe mit einem meiner Meinung nach unverhältnismäßigen bürokratischen Aufwand verbunden. Da fragt man sich teilweise, ob das Geld, was man als Förderung bekommt, nicht schon für die Arbeitskosten der Antragstellung draufgeht.
Welche Rolle spielt Ihre Genossenschaft in Bezug auf Bildung und Bewusstseinsbildung über nachhaltige Landwirtschaft in der Region?
Simone: Die Mitglieder bekommen als Genossenschaftsmitglieder einen Einblick in die Betriebsorganisation. Sie bekommen mit, wie Gemüse »im größeren Stile« wirklich produziert wird, welches Gemüse wann wächst und werden kreativ, was das Kochen und die Verarbeitung betrifft. Anstatt sich von idyllischen Bildern aus der Werbung blenden zu lassen, kann wieder eine Verbindung mit der Nahrungsmittelproduktion entstehen. Der Hofverein eröffnet dieses Jahr ein Bildungs- und Begegnungshaus in Sehlis mit der Möglichkeit, Workshops und Seminare zu vielfältigen Themen im Bereich Nachhaltigkeit, Landwirtschaft, Klimagerechtigkeit, etc. durchzuführen. Ansonsten haben wir Feste, Aktionstage, Führungen und weitere Veranstaltungen, die das Dorfleben beleben.
Wie könnten Regierungen und die Gesellschaft insgesamt die Situation für kleine landwirtschaftliche Betriebe verbessern?
Simone: Die Produktion von Nahrungsmitteln darf nicht über die Preise des (Welt-)Marktes bestimmt werden. Regionale Nahrungsmittel und nachhaltiger Anbau leisten einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssouveränität. Hier können unter anderem Subventionen umverteilt und kleinere, nachhaltige Betriebe stärker gefördert werden, sowie Boden per Gesetz gegen Spekulation durch Konzerne geschützt werden. Die Landwirtschaft kann außerdem eine Stellschraube zur Bekämpfung der Klimakatastrophe sein, wenn ihre Transformation entsprechend gefördert und als gesellschaftliche Aufgabe verstanden wird. Wie das genau aussehen kann, dazu haben sich schon viele Menschen umfangreich Gedanken gemacht. Auf diese möchte ich gerne verweisen: auf den 6-Punkte-Plan der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, auf die Arbeit der Zukunftskommission Landwirtschaft und die Empfehlungen der Borchert-Kommission.