Am vergangenen Montag fand im Neuen Rathaus ein erstes Bürgerplanspiel zur Energiewende statt. 28 ausgeloste Leipziger und Leipzigerinnen durften überlegen, wie die Stadt bis 2040 klimaneutral werden kann.
Der Festsaal wird seinem Namen gerecht ̶ ein Büffet in der Ecke, stattliche Rundbogenfenster und eine meterhohe Decke, von denen golden glänzende Leuchter hängen. Darunter sitzen in quadratischer Runde versammelt die neugierigen Teilnehmenden des Planspiels. Sie haben sich bereits an den belegten Broten bedient, einen Kaffee getrunken und werden langsam leiser. Die Erwartung liegt spürbar in der Luft. An den Wänden hängen den Raum entlang Bildschirme, auf denen die Präsentation zu sehen ist: »Dialogtool Leipziger Energiewende 2024« ̶ das, worauf alle so gespannt sind.
»Das machen wir so zum ersten Mal«, sagt Mareike Wald zu Beginn der Veranstaltung in Bezug auf das Planspiel. Sie ist Kommunikationsberaterin im Unternehmen Lots und moderiert den Abend. Trotzdem zeigt sich bereits reges Interesse an dem Workshop. Es habe 45 Registrierungen gegeben, von denen 28 Teilnehmende ausgelost wurden.
»Es geht darum zu experimentieren, indem wir das digitale Tool nutzen, um zu vergegenwärtigen, wie die Energiewende für Leipzig aussehen könnte«, erklärt Brigitta Ziegenbein, Leiterin des Stadtplanungsamtes. Dabei sei die Beteiligung der Bürger besonders wichtig. Es gehe darum, gemeinsam zu erkennen, wo die Herausforderungen der Leipziger Energiewende liegen, ergänzt Simone Pflaum, die das Referat Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz leitet. Mit der Bevölkerung gemeinsam müsse ein Konsens gefunden werden, um weiter Akzeptanz für erneuerbare Energien zu schaffen. Bis 2040 klimaneutral zu sein, das hat sich die Stadt Leipzig mit dem Energie und Klimaschutzprogramm (EKSP 2030) vorgenommen ̶ doch wie könnte das aussehen?
Das sollen sich die Bürgerinnen und Bürger nun überlegen. In vier Kleingruppen aufgeteilt, bekommen sie eine Stunde Zeit, zu diskutieren, Möglichkeiten abzuwägen und einen ersten Plan aufzustellen. Das Tool Energiewende ̶ ein stadtplanerisch entwickeltes Programm ̶ zeigt dabei auf großen Monitoren eine Karte der Stadt Leipzig. Jedes Team kann durch Tippen auf seinen Monitor die ausgewählten freien Flächen mit Wind- oder Solarkraftanlagen belegen. Setzen die teilnehmenden Bürger nun auf die als geeignet gekennzeichneten Flächen ihre Anlagen, steigt der Stromertrag in einer Gesamtanzeige, die den Energiebedarf der Stadt anzeigt. Mit den bereits bis heute erreichten zwölf Prozent erneuerbarer Energien starten die Teilnehmenden zwar nicht bei null, hundert Prozent zu erreichen schaffen jedoch nicht alle Gruppen. Auch die Flächenplanung könnte sich noch ändern, bei den angezeigten Flächen geht es momentan noch nicht um Besitzverhältnisse, sondern schlicht um deren Nutzbarkeit und Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben.
Entsprechend geht es bei dieser Veranstaltung noch nicht darum, konkrete Lösungen auf große Fragen zu finden, sondern um das gemeinsame Kommunizieren von Bedürfnissen und Ideen.
Als die Stunde in den Einzelgruppen schließlich um ist, werden die Ergebnisse in der großen Runde geteilt. Man ist sich einig: Eine Stunde ist knapp bemessen für ein so großes Thema, doch erste Ergebnisse gibt es trotzdem. Die Dachflächen Leipzigs könnten großes Potenzial für solare Energiegewinnung bieten ̶ mehr als viele zunächst angenommen hatten. Besonders der Stadt wird dabei eine Vorbildfunktion zugesprochen. Darüber hinaus bleibe es jedoch schwer, sich die konkreten Auswirkungen der eigenen Planung vor Augen zu führen. Um den Stromradar auf die vollen 100 Prozent zu setzen, wurden im Simulator teilweise große Anlagen gebaut, die mit Sicherheit auch das Stadtbild verändern würden. Somit sei zwar der Strombedarf gedeckt, doch ob solche Bauwerke von der Bevölkerung akzeptiert würden, ist fraglich. Dass das Nordufer am Cospudener See zu einer Solar- oder Windkraftanlage wird, erscheint vielen dann doch unrealistisch. »Da war Platz«, scherzt ein Gruppenmitglied. Die Stimmung ist allgemein positiv, doch nicht ohne kritische Nachfragen für die Veranstalter. Besonders fallen dabei die Teilnehmenden ins Auge, die selbst beruflich im Energiesektor tätig sind. Doch auch Grundschullehrer, Landwirtinnen, Sozialarbeiter und Mathematikerinnen verschiedener Altersgruppen zeigen sich interessiert.
Nicht alle Teams schaffen es am Ende, die gesamte Energie aus den verfügbaren Stromquellen zu erzeugen. Das wirft die Frage auf, inwieweit es überhaupt die Aufgabe der Stadt ist, den kompletten Energiebedarf abzudecken. Dennoch, so sind sich viele der Teilnehmenden einig, war es ein interessanter Abend, der das Potenzial hat, weitere Perspektiven zu öffnen. »Das war schön als Spielerei aber noch wenig konkret«, resümiert ein Teilnehmer. »Es wird sich zeigen, wie das weitergeht.« Noch steht aus, inwieweit die gesammelten Eindrücke des Abends die Energiewende beeinflussen werden und ob der Stadtrat sie durchwinkt. Doch weitere Planspiele sind bereits im Gespräch.