Die Fenster des soziokulturellen Zentrums Frauenkultur im Werk2 leuchten einladend am Donnerstagabend. Etwa vierzig Menschen sind gekommen – drei Männer, sonst Frauen – um an der Ausstellungseröffnung teilzunehmen. »Wirklichkeit [endlich] begreifen: Frauen* entsprechend ehren, jetzt!« heißt sie und widmet sich 24 Frauen, die es nach Ansicht der Organisatorinnen verdient hätten, endlich Ehrenbürgerinnen der Stadt zu werden. Ihre Bilder und Steckbriefe hängen an den Wänden der Frauenkultur und informieren darüber, was sie für Leipzig getan haben.
Bisher gibt es 84 Ehrenbürger und genau eine Ehrenbürgerin: Die Anfang Mai 2023 verstorbene Channa Gildoni. Ein Ausdruck für die »städtische Nichtbeachtung von Frauen«, wie es Christine Rietzke, Geschäftsführerin der Frauenkultur, nennt. Mit der Auszeichnung zur Ehrenbürgerin würde die Stadt endlich die Wirklichkeit anerkennen, nämlich, dass auch Frauen die Stadt Leipzig entscheidend mitgeprägt haben und das weiterhin tun. Angeblich seien bisher einfach keine Frauen vorgeschlagen worden, heißt es von der Stadt. Das wollten die Organisatorinnen der Ausstellung ändern und haben seit März vergangenen Jahres jeden Monat eine Frau vorgeschlagen, die als Ehrenbürgerinnen in Frage kommt.
Privatpersonen, Organisationen und Vereinen können eine Person vorschlagen, die noch lebt und sich in besonderer Art und Weise um die Stadt verdient gemacht haben. Das muss begründet werden. Danach wird es komplizierter: Das Referat Protokoll prüft, ob die Person tatsächlich Entscheidendes für die Stadt geleistet hat. Ist dies der Fall, werden die Informationen an den Ältestenrat der Stadt weitergegeben, in dem der Oberbürgermeister und die ältesten Vertreter der Fraktionen im Stadtrat sitzen. Wenn dieser mit einer Zweidrittelmehrheit für die Ernennung stimmt, wird im Verwaltungsausschuss darüber abgestimmt. Bei ebenfalls einer Zweidrittelmehrheit wird eine Vorlage vom zuständigen Dezernat verfasst, die in den Stadtrat kommt, der schlussendlich ebenfalls mit einer Zweidrittelmehrheit für den Vorschlag stimmen muss.
Vom Ältestenrat habe es bisher keine Rückmeldung an die Frauenkultur gegeben, zur Ausstellungseröffnung ist kein Mitglied gekommen. Rietzke weist das Publikum darauf hin, dass auch dieses Gremium gerade rein männlich besetzt ist. Spöttisches bis resigniertes Lachen hier und da.
Die Ausstellung zeigt alle zwölf vorgeschlagenen Leipzigerinnen und zusätzlich zwölf bereits verstorbene Frauen, die es ebenfalls verdient gehabt hätten, von der Stadt gewürdigt zu werden. Dazu gehören Ärztinnen, Musikerinnen und Frauenrechtlerinnen.
»Es ist auch ein Ausdruck davon, welches Engagement wir in einer Stadt für wichtig erachten«, sagt Franziska Deutschmann, eine der vorgeschlagenen Frauen. Sie verspricht eine große Party, wenn sie wirklich irgendwann Ehrenbürgerin wird. »Es ist für mich eine Würdigung meiner Arbeit, obwohl sie doch eigentlich so normal ist«, sagt die Lehrerin, die sich unter anderem im Vorstand der Luise-Otto-Peters-Gesellschaft engagiert.
Außer ihr sind einige der nominierten Frauen heute Abend gekommen. Sie engagieren sich zum Beispiel für die Gleichstellung der Geschlechter, kämpfen gegen Rassismus oder kümmern sich um obdachlose Kinder und Jugendliche. Dann tritt Ilse Nagelschmidt ans Mikro, auch sie ist für die Ehrenbürgerinnenwürde vorgeschlagen: »Wir haben schon viel erreicht und wir sollten nie vergessen, dass wir in der Stadt ein paar mehr sind als die Männer«, gibt sie sich kämpferisch.
> Die Ausstellung ist jeweils Montag bis Donnerstag von 10 bis 16 Uhr und zu den Veranstaltungen in der Frauenkultur geöffnet.
> www.frauenkultur-leipzig.de