Eine Bibliothek, in der es statt Belletristik, Kinderbüchern oder Reiseführern Abteilungen gibt für Samen von Blumen, für Obstbäume und für Gemüse? Sogenannte Saatgutbibliotheken gibt es in vielen Städten – zu denen Leipzig gehören soll, wenn es nach der Grünen-Fraktion im Stadtrat geht. Die Idee ist, dass alte Sorten im Zusammenspiel mit lokalen Umweltverbänden erhalten werden und Hobby-Gärtner und -Gärtnerinnen einfach an gentechnikfreies und lokales Saatgut kommen können. Genauso kann dort Saatgut abgegeben werden, Laien können sich über den richtigen Anbau informieren und Hilfe zur Selbsthilfe bekommen.
Laut Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek wurde der Vorschlag von einer Bürgerin, die von einem solchen Projekt gelesen hatte, an ihn herangetragen und von der Partei für gut befunden. Ein ähnliches Projekt habe es bereits beim Verein Ökolöwe mit gutem Erfolg gegeben, weshalb die Stadt dies nun zentral implementieren solle, so Kasek. Einwände hat Sylvia Däubel von der AfD. Ihre Partei hat einen Änderungsantrag eingebracht, den Kasek »wirklich nicht nachvollziehen kann«. Däubel stört sich an dem Wort Bibliothek und liest eine Wikipedia-Definition vor, um dann hastig zum nächsten Kritikpunkt überzugehen: der Angst vor zurückgegebenem, gentechnisch verändertem Saatgut. Hobbygärtner könnten nach gescheiterten Anbauversuchen im Baumarkt solche Samen nachkaufen und diese dann wieder in der Bibliothek abgeben. Der Änderungsantrag ihrer Fraktion sieht vor, nur Saatgut auszuteilen, aber keines anzunehmen. Spoiler: Der AfD-Antrag wird abgelehnt.
Kritik äußert auch Ute Elisabeth Gabelmann (Freibeuter). Sie befürwortet eine solche Initiative, stört sich aber auch am Wort Bibliothek, »Tauschbörse« treffe es ihrer Meinung nach besser. Ihre Fraktion bringt mit dem Änderungsantrag einen Finanzierungsvorbehalt ein, da erst geklärt werden müsse, wie es um die Haftung für gentechnikfreie Saat und Patente auf Saatgut beschaffen ist. Daher wünschen sich die Freibeuter erst eine Kostenprüfung. Sabine Heymann (CDU) bemängelt, dass man erst einmal mit den betroffenen Akteuren reden solle, bevor eine solche Initiative in den Stadtrat getragen wird. Es gebe andere Möglichkeiten, das Anliegen zu unterstützen, ohne es auf den Tisch der Stadtverwaltung zu holen. Daher lehnt ihre Partei den Antrag ab.
Jürgen Kasek weist Heymann darauf hin, dass das Ziel des Antrags sei, dauerhaft eine Saatbibliothek mit lokalen Akteuren zu schaffen. Die konkrete Form sei extra nicht festgelegt, um einen Spielraum für die Umsetzung zu haben. Das Signal der CDU sei vielmehr, die Idee werde abgelehnt und es liege bei Privatpersonen, sich zu kümmern. Damit vertrete sie die gleiche Position wie die AfD. Der Antrag wird mit 37 zu 20 Stimmen beschlossen, wobei AfD und CDU dagegen votieren. Auch der Änderungsantrag der Freibeuter bezüglich der Kostenprüfung wird beschlossen.