Mit der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine fielen gleich zwei große »Herausforderungen« in den Zuständigkeitsbereich von Petra Köpping (SPD), die einmal mehr deutlich machten, dass sich an der medizinischen Versorgung in Sachsen etwas ändern muss.
Die entsprechenden Maßnahmen des Sozialministeriums (SMS) zielen vor allem darauf ab, mehr Personal zu gewinnen: 2021 wurde eine Landarztquote beschlossen, sie ermöglicht Studieninteressierten ohne entsprechenden Abiturschnitt ein Medizinstudium, wenn sie sich verpflichten, nach dem Studium für zehn Jahre in einem sogenannten »unterversorgten« Gebiet in Sachsen als Hausarzt oder Hausärztin zu arbeiten. Auch das Hausarztstipendium und die Zusammenarbeit mit der ungarischen Hochschule in Pécs sollen die hausärztliche Versorgung in Sachsen langfristig sicherstellen. Ein guter Ansatz sei das, findet der Präsident der sächsischen Ärztekammer, Erik Bodendieck, aber noch nicht genug. Die reine Zahl der Ärztinnen und Ärzte sei gestiegen, aber die Arbeit in der eigenen Praxis werde zunehmend unattraktiver. Auch der »20-Punkte-Plan«, der die medizinische Versorgung bis 2030 sicherstellen soll, geht ihm nicht weit genug: »Denn dessen Schwerpunkt liegt fast ausschließlich auf Personalgewinnung statt auf modernen Versorgungsstrukturen.«
Die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag sind mit den Maßnahmen allerdings weitgehend umgesetzt, auch die Novellierung des Krankenhausgesetzes, das seit über 30 Jahren erstmals erneuert wurde. Darin wird unter anderem geregelt, dass sich Kliniken in sogenannte Gesundheitszentren umwandeln können. So kann die Notfallversorgung in ländlichen Gebieten aufrechterhalten werden.
Ein Fokus lag laut Koalitionsvertrag auch auf der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Deren Situation hat sich durch Corona deutlich verschärft, wie Linda Klink berichtet. Sie ist stellvertretende Landesvorsitzende bei der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPTV) in Sachsen und Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche. »Wir haben leider mitunter extrem lange Wartelisten für Therapieplätze.« Über die Erweiterung von Plätzen kann nur auf Bundesebene entschieden werden, das SMS unterstütze aber Projekte zur Prävention von Sucht und Suizid und fördere Netzwerkarbeit, berichtet Klink. »Wir haben das Gefühl, dass unsere Vorschläge zum Ausbau der therapeutischen Versorgung immer engagiert aufgenommen werden.« Dazu gehört zum Beispiel die Finanzierung der Weiterbildung von Fachtherapeutinnen und -therapeuten als Grundlage für eine eigene Praxis. Im DPTV wünscht man sich hier eine finanzielle Unterstützung vom SMS.
Die Ministerin selbst blickt positiv auf die vergangenen Jahre: »Die zentralen Vorhaben meines Hauses sind umgesetzt bzw. weit fortgeschritten«, sagte Köpping auf Anfrage. Gleiches gelte für die Regierungspartner: »Die Zusammenarbeit innerhalb der Koalition ist trotz aller Unterschiede lösungsorientiert.«
Ein weiterer Meilenstein soll das sächsische Integrations- und Teilhabegesetz werden, das man noch in dieser Legislaturperiode verabschieden will: Es soll Menschen mit Migrationshintergrund nach dem Grundsatz »Fördern und Fordern« die Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben ermöglichen. Konkret sollen Integrationsstrukturen verbessert und Zuständigkeiten auf Landes- und Kommunalebene klar verteilt, Beratungs- und Betreuungsstrukturen ausgebaut und migrantische Selbstorganisationen unterstützt werden. Gute Ansätze, findet Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat. Im Verein hätten sie sich sehr über das Gesetz gefreut. Aber: »In Teilen erinnert es an Assimilation. Das wird zu Blockadehaltungen führen. Wir können nicht verlangen, dass die eigene Lebensleistung vergessen wird. Gerade in Ostdeutschland sollten wir das verstehen«, sagt Schmidtke. Er hätte sich auch gewünscht, dass Vereine und Organisationen, die seit 2015 in der Flüchtlingshilfe aktiv sind, kontinuierlich gefördert werden und nicht jedes Jahr neue Anträge schreiben müssen. »Es ist sehr kurzfristig gedacht, jetzt an der Integration zu sparen. Denn Rechtsberatungen helfen den Menschen, sich hier schneller zurechtzufinden, und entlasten langfristig auch den Freistaat.« Sollte das Gesetz vom Landtag beschlossen werden, wäre Sachsen nach Berlin das zweite Bundesland in Ostdeutschland, das ein solches hätte.