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Gemeinsam in die Hände spucken

Auf einen Antrag der CDU hin berät der Stadtrat, wie der Gewerbesteuerüberschuss in die Wirtschaft fließen soll

  Gemeinsam in die Hände spucken | Auf einen Antrag der CDU hin berät der Stadtrat, wie der Gewerbesteuerüberschuss in die Wirtschaft fließen soll  Foto: Stefan Ibrahim

Wie harmonisch der Stadtrat zusammenarbeiten kann, zeigte ein Antrag zurWirtschaftsförderung. In einem Ursprungsantrag forderte die CDU, übermäßige Gewerbesteuereinnahmen in die Wirtschaft zu reinvestieren. In seinem Verwaltungsstandpunkt (VSP) vereinte das Wirtschaftsdezernat die Änderungsanträge von SPD, Grünen und Linken – und stellte diesen im Stadtrat zur Abstimmung.

Der Oberbürgermeister soll bis Ende des dritten Quartals dieses Jahres Handlungsoptionen zur nachhaltigen Stärkung des Standorts Leipzig erarbeiten. Zwar habe die Verwaltung mehr als 25 Millionen Euro Überschuss aus den Gewerbesteuern ermittelt, beschränkt sich bei den Investitionen dennoch auf diesen Betrag. Die Maßnahmen adressieren dabei alle Aspekte des Nachhaltigkeitsdreiecks: Ökonomie (Stärkung des regionalen Mittelstandes), Soziales (Integration und Erhöhung der Beschäftigung) und Ökologie (Klima- und Umweltschutz).

Zurück zur Stadtratsitzung am Mittwoch. Falk Dossin (CDU) eröffnet die Diskussion. Bei genauerem Blick auf die Gewerbesteuereinnahmen würde deutlich, dass »diese nur aus einem kleinen Teil der Wirtschaftszweige kommen«. Die Stadt müsse die Strukturen ändern, um resilienter zu werden, wofür es kluge Ideen brauche, die die Verwaltung ausarbeiten solle. Er spricht sich für den VSP aus und bedankt sich bei allen Stadträtinnen und -räten, die sich an dem Antrag beteiligt haben.

»Vor anderthalb Jahren stand ich hier und sprach: ›Wir haben Geld‹ und Sie haben schallend gelacht«, erinnert sich Katharina Krefft (Grüne) an ihre Rede zur Verabschiedung des Doppelhaushalt 2023/24. »Jetzt beantragen genau Sie hier«, sagt Krefft, die Hände in Richtung CDU gefaltet, »wie das Geld, das nun tatsächlich mehr da ist, als sie damals zugeben wollten, auszugeben wäre.« Dass die CDU die überschüssige Gewerbesteuer zurück in die Wirtschaft geben will, ergebe durchaus Sinn, gleichzeitig müssten auch weitere Faktoren im Blick bleiben: zur Fachkräfteanwerbung müsse in Wohnraum und soziale Infrastruktur investiert werden, außerdem bedürfe es Bürokratieabbau und schlanken Genehmigungsverfahren. Mit dem VSP könnten die Grünen leben, man sei gespannt, welche konkreten Vorschläge das Wirtschaftsdezernat erarbeitet.

Steffen Wehmann (Linke) könne ebenfalls »gut mit dem Antrag der CDU umgehen« und wundere sich trotzdem: »Entspricht ja nicht sonst der klassischen Herangehensweisen der Konservativen«, wie die Debatte um die Schuldenbremse auf Bundesebene zeige, »aber umdenken gewinnt.« Das im VSP beschriebene Nachhaltigkeitsdreieck verbinde viele der Forderungen seiner Fraktion: Die Unterstützung anwendungsnaher Forschungseinrichtungen, Gründerförderung oder die Investitionen in den Ausbildungsstandort Leipzig.

Sachsens ehemaliger Wirtschaftsminister Sven Morlok (Freibeuter) kritisiert fehlende Inhalte und fehlende konkrete Vorschläge. Der Verwaltungsstandpunkt folge dem Motto: »Burkhard, sag uns doch mal wies geht«. Vor allem die CDU gerät dabei ins Visier: »Von einer Partei, die sagt, ›ich habe eine gewisse Wirtschaftsexpertise‹, würde man erwarten, dass sie konkrete Vorschläge macht.«

Die Änderungsanträge der CDU, Linken, Grünen und SPD sind zurückgezogen. Damit steht der VSP zur Abstimmung. Die AfD enthält sich geschlossen, alle anderen stimmen mit insgesamt 48 Stimmen dafür.


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