Humor haben sie ja: »Könnte besser laufen« ist der Slogan, mit dem die Leipziger SPD ein Förderprogramm für bessere und sanierte Gehwege überschreibt. Es gehört zu ihren Forderungen für die nächsten fünf Jahre. »Könnte besser laufen. Ihre SPD«, fasst Christopher Zenker das Augenzwinkern im Gespräch mit dem kreuzer in Worte. Zenker ist der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Stadtrat. Christina März, Co-Vorsitzende der Leipziger SPD und ebenfalls Stadträtin, erklärt das Anliegen: »Bei der sogenannten letzten Meile, beim Fußverkehr, hat die Stadt den größten Nachholbedarf.« Zenker sagt zum Hintergrund: »Beim Fußverkehr geht es auch um Aufenthaltsqualität, den lokalen Einzelhandel und Quartiersbelebung.« Mobilität oder Verkehr ist eines der großen Themen für die anstehende Legislaturperiode, dazu kommen – neben anderen – Wohnen, Bildung und sozialer Zusammenhalt, außerdem die Energie- und Wärmewende.
Bezahlbarer Wohnraum ist freilich ein Dauerbrenner: »Wir müssen etwas tun, damit die Mietpreise nicht so durch die Decke gehen«, sagt März. Neubauen sei nicht die einzige Lösung, auch mit Bestandsgebäuden solle gearbeitet werden. »Klimagerechtigkeit und andere Herausforderungen, die auf uns zukommen, müssen ebenfalls in das Wohnungsthema einfließen.« Zenker ergänzt: »Es geht ursprünglich auf die Initiative der SPD in der vergangenen Legislaturperiode zurück, dass die LWB wieder selber baut – auch mit einem hohen Anteil an sozialem Wohnungsbau.« Auf Initiative der SPD-Fraktion wurde in der aktuellen Legislaturperiode einiges angestoßen, verhandelt oder umgesetzt, darunter das Sofortprogramm Radverkehr, die Schaffung von Mobilitätspunkten oder das 29-Euro-Sozialticket. Zenker betont den breiten Blick der SPD-Fraktion im Stadtrat. Sie sei die einzige gewesen, die die Inflationshilfe bei der Vereinsförderung nicht selektiv angegangen ist, sondern über die ganze Vereinspalette von Jugendhilfe über Sport und Kultur bis zu Senioren und Migranten. Und Kommunalpolitik kann durchaus die Landespolitik beeinflussen: Das Zweckentfremdungsverbot beim Wohnraum habe die SPD-Fraktion im Stadtrat schon in der vergangenen Legislatur vorangetrieben, der Landtag verabschiedete es Anfang des Jahres.
Im Leipziger Stadtrat sind Erfolge natürlich nur in Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen möglich. Sind Linke, Grüne und SPD sich einig, haben sie bisher die Stimmenmehrheit. »Wir haben eine moderierende Rolle als kleine, schlagkräftige Fraktion, die für die Mehrheitsbeschaffung unter den demokratischen Fraktionen relevant ist«, sagt Zenker – die Fraktion hat nur neun Mitglieder. »Während der letzten fünf Jahre waren wir diejenigen, die Kompromisse gefunden haben. Wir sind also die Fraktion, die den Laden und die Stadt zusammenhält.«
Die Positionen der SPD ähneln oft denen der Linken und der Grünen. »Wir stellen jedoch keine Maximalforderungen«, versucht Zenker die Abgrenzung. »Ich bin lieber ehrlich, transparent und unsexy realistisch, als Versprechungen zu machen – die Haushaltssituation der Stadt ist angespannt, wir schieben Millioneninvestitionen vor uns her. Das hebt uns auch von der CDU ab, deren Position oft ist, dass wir aufgrund des Haushaltssituation gar nichts machen können.« März zufolge sei ein weiterer Unterschied zu anderen Fraktionen, dass die SPD die ganze Stadt im Blick habe und nicht nur die Klientel bestimmter Stadtteile bediene.
Wer die Sitzungen im Stadtrat verfolgt, kann innerhalb der SPD-Fraktion Christina März und Andreas Geisler als recht gegensätzlich verstehen. Geisler handelte sich Anfang 2023 den Ärger der Jusos ein, als die AfD eine dringliche Anfrage zu Geflüchtetenunterkünften in seinem Wahlbezirk auf die Tagesordnung bringen wollte und der Bäckermeister sich als einziger Stadtrat aus den Fraktionen links der Mitte bei der Abstimmung enthielt. Auf die Front Geisler–März angesprochen, ist März erstaunt, räumt aber ein: »Ich maule Andreas Geisler auch mal an. Aber er unterstützt mich sehr, auch als Parteivorsitzende. Wir arbeiten allein schon deshalb gut zusammen, weil unsere Wahlkreise nebeneinander liegen.« Bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Fraktion, zwischen eher konservativ und eher links, helfe ebenfalls die Diskussion. Außerdem natürlich: Kompromisse. »Das ist ein Geben und Nehmen«, sagt Zenker. Etwa die Verkehrsöffnung Livia-Platz versus Umbau Berliner Straße: »Ich war gegen die Öffnung, habe aber nachgegeben, weil es nur um ein paar Monate ging und mir der Umbau wichtig war.«
Wie wird »der Laden« nach den Kommunalwahlen zusammengehalten? »Ich mache mir Sorgen, dass es die rot-rot-grüne Mehrheit im nächsten Stadtrat nicht mehr gibt«, sagt Zenker. »Und die CDU setzt neuerdings sehr auf Konfrontation – hoffentlich ist das nur der Wahlkampfmodus.« Zenker ist durchaus optimistisch, dass die Fraktion zulegen kann, und März sagt: »Wir wollen wieder in allen zehn Wahlkreisen vertreten sein, in unseren starken Stadtteilen mit zwei Personen. Und wir möchten in der Fraktion so viele Männer wie Frauen haben.« Sorge bereitet Zenker auch eine mögliche rechnerische Mehrheit von CDU und AfD. »Die CDU koaliert nicht mit der AfD. Aber sie stimmt bei bestimmten Themen gemeinsam mit der AfD ab.« Nach dem nächsten Doppelhaushalt könne dies bedeuten, dass notwendige Reformen und hart erarbeitete Projekte etwa in Verkehr, Kultur oder Sozialem gestoppt oder rückabgewickelt werden.
> www.spd-leipzig.de