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Kindermund tut Wahrheit kund

Der FC Blau-Weiß Leipzig hat ein Konzept zum Kinderschutz – als einer von wenigen Sportvereinen in der Stadt

  Kindermund tut Wahrheit kund | Der FC Blau-Weiß Leipzig hat ein Konzept zum Kinderschutz – als einer von wenigen Sportvereinen in der Stadt  Foto: Lena Grützmacher

Gartenzwerge grüßen aus den Vorgärten der Einfamilienhäuser, im Volkspark geht der Frühling seiner Arbeit nach. Aber es ist kühl an diesem Tag in Kleinzschocher, ein sehr ungemütliches Wetter, um draußen Fußball zu spielen. Der in den Vereinsfarben getünchte Zaun gibt einen ersten Hinweis auf den FC Blau-Weiß. Dessen Sportplatz ist groß und abgenutzt, wie es sich für einen alteingesessenen Verein gehört. Der Rasen löchrig, die Weitsprunggrube marode, das Vereinshaus ist in die Jahre gekommen – auch wenn der FC Blau-Weiß erst 2017 durch die Vereinigung vom VfK Blau-Weiß Leipzig mit TuB Leipzig und Leipzig United F.C. entstanden ist. Hinter dem Vereinsheim treffen wir Ann Schmidt auf einem Schotterparkplatz. Sie ist die Kinderschutzbeauftragte von Blau-Weiß. Zum Gespräch hat sie Peter Schön mitgebracht, den zweiten Vorsitzenden des Vereins und Trainer der Bambinis. Schön schließt den vereinseigenen Besprechungsraum auf, Schmidt lockt mit Kaffee. Auch hier wird Vereinsnostalgie geweckt: Die Stühle sind passend blau, an der Wand hängen Wimpel und der Kaffee kommt aus der Thermoskanne. 
Ann Schmidt erzählt, dass sie früher Co-Trainerin der U8-Mannschaft im Verein war, dann aber keine Zeit mehr dafür hatte und nach einer neuen Aufgabe im Verein suchte. Seit etwa einem Jahr ist sie nun die Ansprechpartnerin für den Kinderschutz bei Blau-Weiß. Vor ihr gab es zwar schon andere, jedoch ist sie die erste Beauftragte mit Zertifizierungen vom Landessportbund. Bevor Schmidt ein Kinderschutzkonzept entwerfen konnte, musste sie sich in die Thematik einarbeiten: »Es ist ein sehr breites Feld, es gibt viele juristische Bedingungen und wir als Verein mussten uns erst mal selbst reflektieren.« Dafür nahm sie an Schulungen der Landessportjugend teil. Dort wurde sie von Hannes Günther unterstützt, dem Jugendbildungsreferenten der Sportjugend Sachsen. Er ist der erste Ansprechpartner für Vereine, wenn es Probleme oder einen Verdacht auf grenzverletzendes Verhalten gibt. Das Kinderschutzkonzept für Blau-Weiß haben Schmidt und Günther gemeinsam erarbeitet. Dabei folgt die Sportjugend Sachsen Schritt für Schritt einem Leitfaden: Positionierung des Vereins, Benennung von Ansprechpersonen, Aus- und Fortbildungen zum Thema Kinderschutz, Gestaltung von vertraglichen Grundlagen, Umgangs- und Verhaltensregeln und die Erstellung eines Notfallplans. Das Konzept von Blau-Weiß besteht aus zwei Teilen. Ein Teil ist öffentlich auf der Website des Vereins einsehbar, der Teil für den internen Gebrauch enthält zusätzliche Regelungen – zum Beispiel Verhaltensrichtlinien für alle ehrenamtlichen Vereinsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sowie Checklisten und Formulare für den Bedarfsfall. Der Verein will mit seinem Konzept nicht nur die Kinder schützen, sondern auch Eltern für das Thema sensibilisieren und präventiv ein Zeichen gegen potenzielle Täterinnen und Täter setzen. Laut der Sportjugend Sachsen gebe es im Freistaat etwa fünf bis zehn Vereine mit einem Schutzkonzept.

 

 

Ansprechpartnerin in beide Richtungen

 

Die Kinderschutzbeauftragte ist nicht nur Ansprechperson für die Kinder, auch Trainerinnen und Trainer können sich bei Auffälligkeiten an sie wenden. »Als Trainer kann man wahrnehmen, wenn sich das Kind verändert. Zum Beispiel bei Mangelernährung, fehlender Hygiene oder psychischer Belastung«, berichtet Schmidt. Bisher habe es bei Blau-Weiß aber noch keine solchen Vorfälle gegeben. Wenn man von Kinderschutz spricht, denke man häufig direkt an die »krassen« Fälle, findet Schmidt. »Sexualisierte Gewalt ist das Schlimmste, was passieren kann, aber es geht schon viel früher los. Grenzverletzendes Verhalten passiert zum Beispiel durch Sprache.« Ann Schmidt erwartet zum Beispiel, dass die Kinder nicht angeschrien werden, wenn sie verlieren. »Es gibt einen Unterschied zwischen intensivem Anfeuern oder eben auch mal Schimpfen, man darf auch laut sein, meiner Meinung nach. Es geht um die Wortwahl«, findet Schmidt. Der Verein habe sich aus diesem Grund in der Vergangenheit konsequent von solchen »Schreitrainer:innen« getrennt, ergänzt Schön. Über ehrenamtlichen Nachwuchs würden sich beide freuen, mehr Unterstützung könne der Verein gut gebrauchen.

Nach unserem Gespräch machen wir noch ein Foto. Schmidt trägt eine Blau-Weiß-Trainingsjacke und legt ihre Haare auf die rechte Schulter, damit man das Vereinslogo gut sehen kann. Peter Schön hängt noch die Wimpel um. »United F.C.« soll in der Mitte hängen. Danach gibt es noch einen kurzen Rundgang über das Vereinsgelände, wo wir auf einen Vater treffen, der seinen Sohn zum Fußball anmelden möchte. Der Bambini-Trainer notiert die Kontaktdaten und zeigt ihm den Platz. In dieser Zeit rennt sein Kind schon über den Platz. Nach der Tour verabschieden wir uns. Es wird Zeit für Peter Schön, das Bambini-Training vorzubereiten. Ann Schmidt ruft noch ein »Wir sehen uns beim nächsten Spiel« hinterher. Dann beginnt es zu regnen. Zum Glück findet das Training heute in der Halle statt. 

 

> Kinderschutz-Zentrum Leipzig, Brandvorwerkstr. 80, 04275 (Südvorstadt) u. Bornaische Str. 101, 04279 (Lößnig), Tel. 03 41/9 60 28 37, info@kinderschutz-leipzig.de, www.kinderschutz-leipzig.de

> Wenn Sie Erfahrungen mit Kinderschutzverletzungen im Sport haben und für einen Artikel im kreuzer darüber sprechen wollen, kontaktieren Sie unsere Kinder- und Familienredakteurin Nastasja Kowalewski per E-Mail an familie@kreuzer-leipzig.de. Über den Grad der Anonymität dabei entscheiden selbstverständlich Sie. 


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