Die letzten Sonnenstrahlen scheinen in den Sitzungssaal des Rathauses, da geht es nochmal um ein echtes Zukunftsprojekt. »Mit der Südsehne soll eine durchgängige Straßenbahnstrecke zukünftig die Stadtteile Grünau, Kleinzschocher, Plagwitz, Schleußig und die Südvorstadt direkt mit dem Zentrum-Südost und Reudnitz-Thonberg verbinden«, schreibt die Stadt Leipzig auf ihrer Internetseite. Dafür soll eine etwa acht Kilometer lange Verbindung von Grünau im Westen und der Prager Straße im Osten geschaffen werden, wie in einer Machbarkeitsstudie nun dargelegt wird.
Franziska Riekewald (Linke) ist erleichtert, dass die Machbarkeitsstudie zur Südsehne endlich auf dem Tisch liegt, drängt aber nochmal auf Tempo: »Wir müssen endlich mit dem Ausbau der Straßenbahn vorankommen. Das ist das Thema, wenn ich auf der Straße unterwegs bin, das die Menschen neben den hohen Preisen tangiert.« Leipzig müsse im 21. Jahrhundert ankommen, sein Netz endlich ausbauen. Dem schließt sich auch Kristina Weyh von den Grünen im Großen und Ganzen an, die zusätzlich auf einen städtebaulichen Aspekt beim Bau der Südsehne hinweist: »Unser Ziel ist es, die Eingriffe in den Baumbestand zu vermeiden.«
Dann tritt Sven Morlok (Freibeuter) ans Rednerpult. Dem wendet er jedoch fast die gesamte Zeit den Rücken zu, um Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) direkt anzusprechen. »Ich kann Ihnen nicht ersparen, doch etwas tiefer in diese dicke Vorlage einzusteigen«, sagt Morlok, der auf Seite 48 von 263 stutzig geworden ist. Dort steht, dass die Endfassung der Machbarkeitsstudie bereits Ende März 2023 vorgelegen habe. »Herr Oberbürgermeister, wenn Ihnen der Ausbau des ÖPNV prioritär ist, dann müssen Sie als Chef der Verwaltung es auch zur Chefsache machen. Dann kann nicht die Machbarkeitsstudie ein Jahr lang in der Verwaltung herumdümpeln. So geht es nicht«, schimpft Morlok, mit der rechten Hand wild gestikulierend.
Jung grinst zunächst amüsiert und stellt am Ende der Debatte an Morlok gerichtet klar: »Hier hat nichts gedümpelt, hier hat gar nichts gedümpelt.« Die Verwaltung habe in der Zwischenzeit Beratungen in Ausschüssen und mit der LVB geführt, sich international über alternative und autonome Antriebsformen kundig gemacht: »Denn am Ende geht es um viel, viel Geld.« Das beschäftigt auch Morlok, der grundsätzlich für den Bau der Südsehne ist. Da ein Baustart erst in zehn bis zwölf Jahren realistisch sei, würden die tatsächlichen die anberaumten Kosten von 163 bis 193 Millionen Euro deutlich übersteigen.
Die CDU kann sich als einzige Fraktion nicht mit dem Vorhaben anfreunden. Als selbsterklärter »Anwalt der Mobilität« erklärt Marcus Mündlein, dass eine Straßenbahnverbindung auf dieser Strecke einem »Verkehrskollaps« gleichkäme, da dadurch Einschränkungen im Automobil-Verkehr zu vermuten sind. Solange bei der Planung der Südsehne der »Wegfall einer Spur für den Automobil-Verkehr nicht ausgeschlossen ist« werde die CDU der Vorlage nicht zustimmen. Mündlein macht lieber nochmal Werbung für ein Wahlkampfprojekt der CDU: »Wenn die Stadt für den ÖPNV-Mittel verwenden möchte, dann doch bitte für den Ausbau eines zweiten City-Tunnels.«
Am Ende sind sich fast alle Fraktionen einig: die Planung der Südsehne geht weiter. Nur die neun Abgeordneten der CDU stimmen gegen die Vorlage, Heike Böhm (SPD) enthält sich.