Ernste Worte richtete der Oberbürgermeister Burkhard Jung an das Publikum zur Eröffnung des Leipziger Bachfestes. Freude hingegen brachte unter anderem die französische Geigerin Chouchane Siranossian, die das Publikum mit ihrer Interpretation des Violinkonzertes von Alban Berg fesselte.
Worte über die drastische weltpolitische Lage fand auch Michael Maul, Intendant des Bachfestes, in seiner Eröffnungsrede. In der vollbesetzten Thomaskirche mit Gästen aus allen Kontinenten sprach er auch über die Spaltung der Gesellschaft. Mit einem Zitat von Johann Gottfried Seume: »Wo man singet, so lass Dich nieder!« wischte er alle Zweifel über die Sinnhaftigkeit eines solchen Festivals angesichts der aktuellen Weltgeschehnisse beiseite. Traditionell erklang zuerst die Orgel, gespielt von Thomasorganist Johannes Lang. Denn auch für Bach war sie seinerzeit das Instrument, mit dem er Choräle einleitete und begleitete und damit sein täglich Brot verdiente.
Seit 2018 wurde das diesjährige Bachfest mit dem Motto »CHORal Total« geplant, um über 30 Bachchören aus aller Welt eine Bühne zu schaffen für den kompletten Choralkantatenzyklus, den Bach im Jahr 1724/25 auf bekannte Kirchenlieder komponierte. Zweihundert Jahre zuvor hatte Martin Luther in Wittenberg das erste evangelische Gesangbuch und damit die Grundlage dieser Choräle veröffentlicht. Auch dieses Jubiläum feiert man in diesem Jahr mit über 150 Konzerten. Den prächtigen Orgelklängen folgte Bachs Kantate »O Ewigkeit, Du Donnerwort«. Dabei musizierten das Gewandhausorchester, der Thomanerchor unter der Leitung von Thomaskantor Andreas Reize und die Gesangssolisten Jacob Pilgram und Matthias Helm. Wie schön man über Todesangst singen kann, bewies dabei der Countertenor Alexander Chance, der dritte Sänger im Bunde. Im Anschluss erklang das Violinkonzert von Alban Berg mit dem Untertitel »Dem Andenken eines Engels«. Berg setzte damit Manon Gropius, der früh verstorbenen Tochter von Alma Mahler und Walter Gropius, ein musikalisches Denkmal. Die 1935 entstandene Komposition zitiert im zweiten Satz den Choral »Es ist genug« aus der vorher erklungenen Bach-Kantate. Trotz der schwierigen Akustik in der Thomaskirche, welche für einige Intransparenz sorgte, gelang es der Solistin eine Atmosphäre höchster Konzentration zu erzeugen.
Chouchane Siranossian mit ihrem vollen, warmen Geigenklang zählt zu den großen Künstlerinnen der internationalen Barockszene und ist dieses Jahr Artist in Residence des Bachfestes. Noch öfter wird sie in der kommenden Woche zu hören sein, beispielsweise in den Bachlounges mit verschiedenen Versionen der berühmten Chaconne. Mit »Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser« von Felix Mendelssohn-Bartholdy, einer Kantate für Sopran, gemischten Chor und Orchester endete das Eröffnungskonzert. Die Sopranistin Miriam Feuersinger wurde der dramatischen Tonsprache des Werkes vollends gerecht. Das Publikum quittierte mit frenetischem Applaus.
kreuzer-Veranstaltungstips für die kommenden Tage:
> Konzert No 57: J.S. Bach »Die Apokalypse«, Montag, 10.6. 20 Uhr, Oper
> Konzert No 66: Choralkantaten 8 mit dem Bach Cantata Choir Portland (USA), Dienstag, 11.6., 11. 30 Uhr, Nikolaikirche
> Konzert No 75: Bachfest Lounge mit Chouchane Siranossian und DJ Johannes Malfatti , Dienstag, 11.6., 22 Uhr, Bach-Museum, Sommersaal