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Sport

»Ein bisschen wie die Hammerwerfer«

Die Geherin Saskia Feige fährt diesen Sommer zu ihren zweiten Olympischen Spielen 

  »Ein bisschen wie die Hammerwerfer« | Die Geherin Saskia Feige fährt diesen Sommer zu ihren zweiten Olympischen Spielen   Foto: Charlotte Reiher

Saskia Feige geht schneller, als andere Menschen laufen können. In der olympischen Disziplin Gehen wurde sie 2019, 2021, 2022, 2023 und ganz frisch 2024 Deutsche Meisterin. Bei der EM 2022 wurde sie Dritte – sagt aber selbst: »Ich gucke eher auf Zeiten als auf Titel.« Die Sportlerin vom SC DHfK Leipzig wird in Paris an ihren zweiten Olympischen Spielen teilnehmen. Was sie sich dafür ausrechnet und wie sie ihr Medizinstudium mit dem Sport vereinbart, verrät sie im Interview. 


Bis 2015 waren Sie Mittelstrecken-Läuferin. Wie sind Sie zum Gehen gekommen? 

Eigentlich gab es keinen Schlüsselmoment. Ich habe an der Sportschule in Potsdam immer schon die Geher beim Training gesehen und wollte das dann mal ausprobieren. Ich wusste auch, dass das über die längeren Strecken geht – 20 Kilometer bei den Erwachsenen –, und ich wusste, dass ich eher der Ausdauer-Typ bin. Und dann habe ich einfach mal gefragt, ob ich bei der relativ großen Trainingsgruppe mal mitmachen darf. 

Was ist der Unterschied zwischen Gehen und Laufen? 

Wir haben im Gehen eigentlich nur zwei Regeln: Ein Fuß muss immer am Boden sein und man muss mit dem gestreckten Knie aufkommen. Im Wettkampf werden wir von Gehrichtern bewertet. Da wird geschaut, ob wir sauber bleiben. Es gibt gelbe Kellen mit unterschiedlichen Symbolen für Kniestreckung oder Bodenkontakt. Die Gehrichter dürfen uns einmal verwarnen und wenn wir dann nicht darauf reagieren, dürfen sie Anträge vergeben. Wenn man drei Anträge innerhalb eines Wettkampfes von drei unterschiedlichen Gehrichtern hat, bekommt man eine Zeitstrafe, die man am Rand abwarten muss. Wenn man dann noch einen Antrag bekommt, wird man disqualifiziert.  

Ist der Switch vom Laufen zum Gehen schwer? 

Ich habe es am Anfang ein bisschen unterschätzt. Ich habe einfach beobachtet und nachgemacht und mich dabei immer korrigieren lassen. Was ich unterschätzt habe, war die Koordination im Sehnen- und Bänderapparat. Es wird eine ganz andere Muskulatur beansprucht. Ich hatte am Anfang so starken Muskelkater. Man braucht viel mehr die Schienbeinmuskulatur, weil man mit der Hacke aufsetzt. – Ich werde oft gefragt, ob man beim Gehen ins Laufen kommt – das empfinde ich nicht so. Wenn ich nach dem Gehen laufe, fühlt es sich so an, als würde ich von Inlinern steigen und dann wieder normal gehen. Es ist einfach eine andere Muskulatur. 

Sie studieren Humanmedizin an der Uni Leipzig. Wie bekommen Sie das mit dem Leistungssport unter einen Hut? 

Während Corona hatte ich viel Theorie online. Das kam mir entgegen, weil ich das von der Zeit her flexibler gestalten konnte. Jetzt setze ich für Olympia quasi aus, weil der Unterricht am Krankenbett beginnen würde. Da muss man zum Teil um 7:30 Uhr in der Klinik stehen und hat anschließend noch bis 19 Uhr Vorlesungen. Das würde ich im Moment einfach nicht schaffen. Also habe ich mich dieses Jahr aus dem normalen Unibetrieb rausgenommen und schreibe dafür meine Doktorarbeit. Die Uni Leipzig hat sich auf die Fahne geschrieben, den Leistungssport zu unterstützen, und das merkt man. Ich mache alles wie alle anderen auch, aber wenn es mal zeitlich nicht klappt, kann ich auch in eine andere Kursgruppe wechseln. 

Sie brauchen für 20 Kilometer gerade mal 1:28:28 Stunden. Haben Sie das Gefühl, dass Gehen trotzdem noch belächelt oder unterschätzt wird? 

Wir sind schon eher eine Randdisziplin in der Leichtathletik – so ein bisschen wie die Hammerwerfer. Deshalb erkläre ich manchmal einfach zweimal, was ich mache, aber das ist kein Problem für mich. Die meisten reagieren positiv darauf und sind beeindruckt. 

Die letzten Olympischen Spiele in Tokio waren alles andere als optimal: extreme Hitze, Quarantäne und eine Strecke, weit entfernt von allen anderen Sportarten. Am Ende mussten Sie sogar aufgeben. Worauf freuen Sie sich besonders in Paris? 

Die Spiele waren natürlich nicht so, wie ich sie mir erhofft hatte. Wir mussten damals noch ein Jahr länger warten und die Hoffnungen waren groß. Aber es war auch eine wichtige Erfahrung für mich und ich denke, ich werde jetzt davon profitieren. Olympia ist einfach noch mal eine Nummer größer als Europa- oder Weltmeisterschaften, weil so viele Sportarten vereint sind. Ich freue mich darauf, dass wir alle in derselben Stadt sind. In Japan wurden wir nach Sapporo ausgelagert, aufgrund der Witterungsbedingungen – auch wenn es dort am Ende genauso heiß war. (lacht) Diesmal können Freunde und Familie kommen, da freue ich mich sehr drauf. Es wird eine Zwei-Kilometer-Runde sein, die wir zehnmal ablaufen müssen, in der Innenstadt am Place de Trocadéro gegenüber vom Eiffelturm. Und es wird erstmals eine Mixed-Staffel geben. Bei der gehen wir insgesamt die Marathon-Strecke und wechseln uns – immer ein Mann und eine Frau – alle zehn Kilometer ab. Das find ich vom Prinzip her ganz spannend, weil wir die Marathonstrecke gehen. Ich hatte ursprünglich gehofft, dass die Marathonstrecke als Einzeldisziplin eingeführt wird, weil das dann für viele Leute vergleichbarer wäre. 

Mit welchen Erwartungen und Ansprüchen gehen Sie an den Start? 

Ich möchte mein bestes Rennen im Jahr abliefern. Eine neue Bestzeit wäre das i-Tüpfelchen. Es ist bei Olympia superschwer einzuschätzen, was man erreichen kann. Ich bin dieses Jahr noch kein internationales Rennen gegangen, deshalb weiß ich noch nicht, wo ich stehe. Wir haben vorher im Juni noch die EM in Rom. Die Italiener haben ein paar richtig gute Geher, da wird das sehr spannend.  


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