Metal satt und Kaffee und Kuchen obendrauf servierte das In-Flammen-Open-Air in Torgau. Umgedrehte Holzkreuze ragen aus dem Boden, sind verkohlt und blutverschmiert. Schwarze Gestalten wanken zwischen ihnen übers Feld, manisch angezogen von der kleinen Waldbühne. Von dort ziehen Schlagzeugdonner und Gitarrensägen, Bassgewummer und Lichtblitze auf, zerschneiden die Luft. Doch wollen die schwarzen Gestalten nur spielen, Biertrinken und Bands feiern. Rund 1.000 Menschen waren von Donnerstag bis Samstagnacht auf dem In-Flammen-Open-Air in Torgau zusammengekommen, um dem Metal zu frönen.
Wo früher die sächsischen Herzöge ihre Entenbraten züchteten, kocht Thomas Richter jährlich sein höllisches Süppchen. Seit fast zwanzig Jahren lädt er an Torgaus Stadtrand, wo ein Entenfang genanntes Naturschutzgebiet den grünen Rahmen für die »höllische Gartenparty« bildet, wie Richter die Veranstaltung beschreibt. Auch in diesem Jahr waren viele Spielarten der härteren Gangart vertreten, wobei das Hauptgewicht auf Death- und Black-Metal lag. Insgesamt 39 Bands traten auf, die klingende Namen trugen wie Impaled Nazarene, Iron Walrus und Ratos de Porao.
Sie verteilten sich auf ein Zelt und eine Naturbühne, die schön beschattet, von einem Baumhalbrund umkränzt wird. Hier fanden dann auch alle diesjährigen Höhepunkte statt. Denn leider war der Sound im Zelt zu breiig abgemischt, es fehlte an Höhen und Tiefen. Bei Escarnium beispielsweise kamen weder Schlagzeug noch Gitarren zur vollen Wirkung, sodass man nur ahnen konnte, was da für ein Potenzial schlummert. Dem schlechten Sound gelang es jedoch nicht, Verwoeds atmosphärischen Black-Metal zu verwässern. Vor allem von Klargesang bestimmt, beackerten die Gitarren ein nuancenreiches Terroir – ein Musikwerk, das man am besten mit einem Rotwein genießt.
Das Booking auf großer Bühne versprach vor allem für den Freitag hochkarätigen Krach und Nackenschmerzen vom Mitwippen. Erstes Highlight waren Sear Bliss, die geradlinigen Oldschool-Black-Metal spielten und in die epischen Parts Posaunenklänge mischten. Das klang originell und hymnisch überzeugend. Fast-Lokalmatadoren Deserted Fear – sie stammen aus Eisenberg und Jena – zeigten sich erfreut, nach Jahren mal wieder in Torgau aufspielen zu können, wo sie vor zwölf Jahren als Newcomer begannen. Das Publikum dankte es ihnen und es war für den Nachmittag schon ungewöhnlich voll, als Deserted Fear seine Death-Metal-Einschläge vom Stapel ließ. Später am Abend zeigten Krisiun, dass ihr mit vielen verfrickelten Details armierter Todesstahl livetauglich ist. Das einfach gehaltene Drum gab etwas stumpf das schnelle Tempo vor, die Gitarren besorgten die Varianz.
Schnell und schneller schälten sich Napalm Death aus ihrer Grind-Kruste. Die ersten Songs überraschten etwas durch den ungewöhnlichen Klargesang. Nach solch neueren Stücken waren viele Klassiker zu hören, die Sänger Barney mit der ihm typische politischen Attitüde kommentierte. Napalm Death ist kapitalismuskritisch, emanzipatorisch und hat etwas gegen Nazis – was sie alle auch wissen lassen. Ins gleiche Horn stießen Brutal Sphincter. Es sind ungewöhnliche Zeiten, wenn sich auch Gore-Grind-Bands positionieren. Da ist es besonders ärgerlich, wenn der Sicherheitsdienst seinen Job nicht erfüllt.
Als am Rand im Bierzelt ein Mann den Hitlergruß zeigte und die Ordner informiert wurden, versuchten sie irgendwie zu schlichten, statt den Täter einfach hinauszuschmeißen. Sie hätten sich auch die Bekleidung mancher Besucher genauer anschauen können. Da waren einige Schwarze-Sonnen-Aufnäher und anderes Unappetitliches darunter. Von einigen Rechten lasse er sich nicht sein Festival wegnehmen, meinte ein Fan am Bierstand und gab wohl kund, was die meisten Besucher des In-Flammen-Open-Airs bewegt: Es ist ihre Gartenparty. Die klang am Sonntagmorgen um zwei Uhr aus, als die alten Death-Metal-Helden von Benediction von der Bühne all jene zum Haareschüttteln und Körperzappeln brachte, die noch wach waren. Die Band war selbst völlig aus dem Häuschen, der Sänger verschenkte tatsächlich seine Schuhe ans Publikum und stand in Socken auf der Bühne. Warum auch nicht? Metal ist Freiheit, wie Veranstalter Thomas Richter immer betont.