Kürzlich erschien der Soli-Sampler »ZOFF« des Dresdner Kollektivs Böse und Gemein, der 19 Songs verschiedener Punkbands umfasst. Die Einnahmen des Projekts fließen in antifaschistische und queerfeministische Projekte in Sachsen. Ein Gespräch mit der Initiatorin Lexi.
Wer ist »Böse und Gemein«?
Wir sind ein feministisches Kollektiv und haben uns 2015 gegründet. Am Anfang haben wir hauptsächlich Konzerte organisiert mit einem Fokus auf queere und feministische Bands. Heute mag das ein bisschen outdated wirken, damals sind wir damit aber oft noch total angeeckt in der Dresdner Musikszene und auch in der Punkszene allgemein. Alle von uns sind über die Musik hinaus aktivistisch tätig.
Die auf dem Sampler versammelten Bands unterscheiden sich musikalisch enorm. Was vereint sie dennoch?
Alle Bands verstehen sich selbst als feministisch. Ich freue mich, dass es auch so wahrgenommen wird, dass die Bands sich unterscheiden. Das war unser Plan, auch wenn damit ein gewisses Risiko verbunden ist, weil man sich natürlich schnell dem Vorwurf aussetzt, dass der Sampler in sich musikalisch nicht geschlossen ist. Uns war aber die politische Komponente wichtiger als die ästhetische. Die einzige Bedingung war: Es muss hart sein.
Im begleitenden Infotext heißt es: »Wir alle wissen, dass Punk nicht so progressiv ist, wie wir es uns wünschen.« Woran machen Sie das fest?
Ich sag mal so: Wenn Punk ein cooler Ort wäre, an dem alle gleichberechtigt und sicher wären, dann würde es eine Band wie Deutsche Laichen oder auch unser Kollektiv gar nicht geben. Das heißt: Unsere Existenz ist eine Reaktion auf die schlechten Zustände des Punks. Punk ist total weiß, es gibt nach wie vor große Probleme für Bipocs (Sammelbegriff, der Schwarze, Indigene und People of Colour umfasst; Anm. d. Red.). Queere Menschen sind oftmals unsichtbar und Frauen müssen sich immer noch schlimme Sprüche anhören.
Trotzdem versteht der Punk sich paradoxerweise als frei.
Genau. Und Punk kann ja auch ein wunderbarer Ort sein. Das merke ich auch jetzt im Zuge unseres Sampler-Projektes wieder, dass der DIY-Charakter im Punk eine Selbstverständlichkeit hat, die ich nicht aus anderen Musikszenen kenne.
Wie gehen Sie mit Gegenwind oder Unverständnis vonseiten der Punkszene um?
Wir als Kollektiv haben immer den Dialog gesucht und über die Jahre viel diskutiert. Aber natürlich gibt es auch Grenzen. Wenn jemand keine Offenheit für unseren Ansatz mitbringt, uns prinzipiell scheiße findet, habe ich auch keine Lust, weiter zu diskutieren. Das ist am Ende eine Frage von Ressourcen.
Böse und Gemein ist in Dresden ansässig. Inwiefern sind Sie auch in der Breite vernetzt, insbesondere im ländlichen Raum in Sachsen?
Das war uns von Anfang an wichtig. In Dresden merke ich generell eine starke Verbundenheit über die Stadt hinaus, das schafft wichtige Synergieeffekte. Die alternative Musikkultur in Sachsen ist krass politisch engagiert, das kenne ich in der Form aus keinem anderen Bundesland.
Wie kommt das?
Das ist eine gute Frage. Ich glaube, das hängt nicht zuletzt immer noch stark mit den Erfahrungen der 1990er-Jahre zusammen. Damals stand in praktisch allen Kleinstädten in Sachsen Faschogewalt auf der Tagesordnung. Das bringt noch mal eine ganz andere Form von Problembewusstsein mit sich. Man merkt, dass jedes Stück Freiheit umkämpft ist. Leute aus dem Westen kennen das in der Form einfach nicht.
Woran machen Sie das fest?
Wir hatten im Vorfeld der Veröffentlichung zum Beispiel interne Diskussionen über den ersten Song des Samplers, »Nazischwein« von der Band B’schissn. Der Text ist sehr brutal, unter anderem heißt es: »Ich schlag dir die Fresse ein.« Die Frage war, ob wir als Feministinnen hinter diesem Song stehen können. Ich habe gemerkt, dass die Kritik an dem Song überwiegend von Leuten kam, die gebürtig aus dem Westen kommen, während die ostsozialisierte Fraktion dagegengehalten und gesagt hat: Das ist unsere Realität, wir haben das genauso erlebt. Natürlich würde ich niemals einem Menschen Pflastersteine in die Fresse schlagen – never! Aber es geht um ein Gefühl, um reale Angst.
Welche Rolle kann und sollte Punk in Zeiten des Erstarkens der Neuen Rechten spielen?
Meine Forderung an die Szene ist, sich politisch zu positionieren und zu engagieren. Es nützt nichts, auf Flyer zu schreiben, dass Nazis, Macker und so weiter unerwünscht sind, wenn darüber hinaus nichts passiert. Es gibt viele gute Bands, die sich die Ästhetiken und Spielweisen von Punk aneignen, denen es aber nicht gelingt, eine Art Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Meine Haltung diesbezüglich ist klar: Punk, der sich nicht engagiert, ist für mich nutzlos.