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Akzeptanz lernen

Leipzig plant eine neue Abrahamitische Schule, auf der Kinder jüdischen, muslimischen und christlichen Glaubens zusammen lernen

  Akzeptanz lernen | Leipzig plant eine neue Abrahamitische Schule, auf der Kinder jüdischen, muslimischen und christlichen Glaubens zusammen lernen  Foto: Stefan Ibrahim

Jüdische Kinder in Leipzig müssten extra nach Berlin fahren, denn hier gebe es seit 1936 keine jüdische Schule mehr, sagt CDU-Stadtrat Karsten Albrecht. Für eine ganzheitlich jüdische Schule sei die lokale jüdische Gemeinde wiederum zu klein. Die Lösung: eine Abrahamitische Grundschule. »Abrahamitisch«, weil Abraham als Stammvater aller drei monotheistischen Weltreligionen gesehen wird. Neben konfessionsübergreifender Verständigung sollen auch religiöse Bedürfnisse geachtet werden. Zur heutigen Abstimmung steht die Einrichtung verschiedener Gebetsräume sowie einen Raum der Stille für andere Religionsgemeinschaften und Konfessionslose. Seit zwei Jahren arbeitet Albrecht schon zusammen mit den jüdischen, muslimischen, römisch-katholischen und evangelischen Gemeinden an dem Projekt. Den Antrag auf eine Förderung der Stadt Leipzig hat die CDU zusammen mit SPD, FDP und Linken gestellt. Akzeptanz lernen, Brücken bauen, gerade in Zeiten des Krieges und der religiösen Spaltung, lautet das Hauptargument.

Roland Ulbrich (AfD) findet den Antrag »absurd«. Die Schule dürfe keine religiöse Kultstätte sein, denn das verstoße gegen die sächsische Verfassung. Nach Vorwürfen an CDU, Linke und FDP, die ihre Grundsätze zugunsten eines »Toleranzterrors« und »Woke-Wahns« verraten würden, kommt der eigentliche, AfD-typische Vorwurf zum Vorschein: »Es drängt sich die Frage auf, ob es nicht doch um den Islam geht«. Ulbrich gewinnt an Fahrt, als er in wilde antimuslimische Hetze abdriftet und von seiner Partei beifälliges Klopfen bekommt. »Thema verfehlt!«, ruft es aus dem Rat.

Die anderen Parteien halten dagegen. Marco Götze (Linke) erinnert daran, dass der Islam geschichtlich wie kulturell zu Europa gehört. Lehrer von Beruf, erzählt er von seinen muslimischen Schülern, die ein völliges Gegenbild zum AfD-Narrativ zeichnen. Er freue sich, dass mit dem Schulbau ein weiterer »kleiner Baustein gegen den Hass« gesetzt werde, zumal dieser auch im Stadtrat spürbar sei. Christoph Zenker (SPD) hebt hervor, dass nach Ulbrichs Logik Religionsunterricht vollständig von Schulen verbannt werden müsste und sich die AfD damit in Selbstwidersprüchen verheddert. Als Tobias Keller (AfD) als Reaktion den anderen Parteien wütend Antisemitismus vorwirft, stößt er vor allem auf Irritation. OBM Jung weist nüchtern darauf hin, dass der Vorwurf paradox sei, gehe es doch explizit auch um die Stärkung jüdischen Lebens.

Außer AfD-Abgeordneten spricht sich nur Ute Elisabeth Gabelmann (Freibeuter) gegen die Förderung aus. Ihre Argumentationslinie will zum Nachdenken anregen, irritiert aber vor allem gegen Ende eher. Akzeptanz lerne man nicht, wenn man Unterschiede betont: »Wir sollten unsere Kinder nicht in unnötige Schubladen stecken«. Begegnungen seien an existenten Schulen bereits Alltag. Außerdem sei die Idee nicht inklusiv, denn Konfessionslose würden die Schule sowieso nicht besuchen. Und was sei eigentlich mit Scientology oder den Zeugen Jehovas? Könnten die dann nicht auch auf eigene Schulen drängen? Antworten erhält sie nicht.

Es steht fest: Die Stadt Leipzig möchte das Projekt unterstützen. Dem Verwaltungsstandpunkt wird, unter Hinzunahme der Gebetsräume, mit großer Mehrheit zugestimmt. Fragen bezüglich des konkreten Schulalltags und des Standortes sind noch zu klären. Bis frühestens 2026 soll das Konzept zusammen mit Religionsgemeinschaften und den Schulgemeinschaften kommunaler Schulen erarbeitet werden

 


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