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Kultur

So surreal, dass es beinahe dokumentarisch wird

Die Leipzigerin Susanne Heinrich dreht »Die miserable Mutter« – Ein Setbesuch.

  So surreal, dass es beinahe dokumentarisch wird | Die Leipzigerin Susanne Heinrich dreht »Die miserable Mutter« – Ein Setbesuch.  Foto: Making of des Films »Die miserable Mutter«/Copyright: Susanne Heinrich

Die Milchpumpe pumpt im Dreivierteltakt. Peter Pan tanzt besonnen durch die Wohnung, die er mit der miserablen Mutter und dem gemeinsamen Kind teilt. Die Atmosphäre am Filmset ist leicht entrückt. Das liegt an der Hitze, an den Primärfarben überall. Daran, dass Peter eben noch einen Handstand gemacht hat und auch an den Bodenwischbezügen an seinen walzenden Füßen.

Drehbuchautorin und Regisseurin Susanne Heinrich (»Das melancholische Mädchen«) gibt den Eindrücken Struktur. »Das ist der zweite Teil einer Trilogie. Nach dem melancholischen Mädchen geht's um die miserable Mutter und ihren Counterpart, Peter Pan. Und durch die Figur der Mutter auch wieder um ein Gesellschaftsbild. Das hat sich natürlich ein bisschen verändert in den acht Jahren, in denen ich nicht gedreht habe.«

Über den Namen des Protagonisten werden offensichtlich viele Assoziationen geweckt, die Heinrich bewusst heraufbeschwört. Er sei: »ein nicht erwachsen werden wollender Kindmann, der sich wahnsinnig viel Mühe gibt und zusammen mit der miserablen Mutter alles versucht, um patriarchale Normen zu überwinden. Daran können die beiden nur scheitern«, erklärt sie.

Um das Scheitern zu vermitteln und gleichzeitig zu begründen, nutzt Heinrich eindrückliche und surreale Bilder, die die ganze Wucht der Erfahrungen, die die junge Mutter durchlebt, verkörpern: »Es gibt zum Beispiel einen Moment, wo die Mutter nicht nur ihr Kind säugt, sondern auch Peter Pan. Weil sie so viel Milch produzieren muss, bläht sie sich auf, bis sie das Zimmer sprengt. «

Heinrich kreiert einen Strudel aus surrealen Elementen, die wiederum so nah an persönliche Empfindungen reichen, dass man sie intuitiv versteht. Ein weiteres Beispiel dafür ist eine Szene, in der die Mutter zur Pistole greift und einfach die anderen Mütter erschießt, weil sie sie so scheiße findet. »Also, dass es immer mehr ins Surreale kippt, das gründet für mich in einem fast dokumentarischen Ansatz. Wir beschreiben eine Wirklichkeit, in der die Grenzen zwischen dem Realen, dem Imaginären und Symbolischen immer mehr verwischen.«

Surrealität erreicht »Die Miserable Mutter« zudem durch den Einsatz von Musicalnummern. Heinrich orientiert sich nach eigener Aussage stark an Bertolt Brechts epischem Theater und in diesem zweiten Teil ihrer Trilogie »geht es auch wieder um diesen beobachtenden, Blick und darum, durch den Modus der Verfremdung eine Distanz zum Dargestellten zu erreichen.«

Gedreht wurde ausschließlich in Leipzig und über den gesamten Film hinweg ist die Szenerie begrenzt, denn die fließenden Grenzen zwischen Innen und Außen, Identität und Diskurs stehen im Vordergrund. Heinrich spricht über die Produktion und wie wichtig der gegenseitige Support am Set ist: »Wir probieren vieles selbstverständlich zu machen. Es fängt mit Kinderbetreuung am Set an, was für mich einfach eine Notwendigkeit ist, weil ich oft mit meiner Tochter alleine bin und sonst gar nicht hätte drehen können.«

Es klopft an der Tür des kleinen Raums, in dem wir mit der Regisseurin sprechen. Der Fototermin steht an. Auf dem Weg zurück ins Studio kommen wir an der Kinderbetreuung vorbei, kurz werden ein paar Worte zum weiteren Tagesablauf gewechselt. Da ist reges Treiben im Bällebad. Rot und Blau und gelb sind die. Zurück am Set wird nochmal umgebaut: »Nicht die normalen Sessel, die sind zu naturalistisch. Wir brauchen die Kinosessel!« Dann geht die Milchpumpe an. Verschwimmende Grenzen. Und bitte!


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